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„Wollen wir uns darauf konzentrieren, Roma abzuschieben und gegen den Islam auf europäischem Boden zu kämpfen, oder wollen wir uns dafür entscheiden, den Wettbewerb gegen China, Brasilien und andere aufzunehmen?“. Mit dieser Frage kennzeichnete das sozialdemokratische Mitglied des Europäischen Parlaments Hannes Swoboda aus Österreich den Mainstream-Streit vor bzw. auf der Tagung des Europäischen Rates vom 16.9. recht treffend.

Von Links aus kann nur „weder noch!“ gesagt werden und sollte es auch nachhaltig.

Ursprünglich wollte man am Donnerstag auch zur Wirtschaftsregierung beraten, aber man kam sich im Vorfeld nicht weit genug entgegen. Dennoch verkündete EU-Ratspräsident Van Rompuy optimistische Fortschritte seiner Task Force und Wirtschaftskommissar Rehn kündigte an, am 29.9. Vorschläge zur wirtschaftspolitischen Regulierung auf den Tisch zu legen.

Nun beriet man also zum Europäischen Auswärtigen Dienst und zum Verhältnis der EU zu Russland, einigen Nachbarn und Asien. Das Freihandelsabkommen mit Südkorea kam rechtzeitig und wurde bejubelt.

„Bisher hatten wir strategische Partner, jetzt brauchen wir auch eine Strategie“, erklärte Herman Rompuy unmittelbar vor dem Gipfel. Der Vorsitz ließ zufrieden verlauten:

„Die Europäische Union muss ihrer Rolle als globaler Akteur tatsächlich gerecht werden und bereit sein, ihren Teil der Verantwortung für die Sicherheit in der Welt zu tragen und eine Führungsrolle bei der Festlegung gemeinsamer Reaktionen auf gemeinsame Herausforderungen zu übernehmen. Durch eine solide Wirtschaft und einen festen inneren Zusammenhalt wird die Fähigkeit der Union gestärkt, ihren Einfluss in der Welt geltend zu machen…“

Auch wenn man dieses Selbstbewusstsein politisch nicht teilt und insbesondere auf die beschämenden Rückstände bei der ohnehin viel zu geringen und zweifelhaften Entwicklungshilfe verweist, ist die Selbstsicherheit nur die halbe Wahrheit. Hannes Swoboda hat die Sorge der EU-Lenker und all jener auf den Punkt gebracht, die eine rückgängige globale Rolle der EU in der Weltwirtschaft fürchten. Die Sorge ist berechtigt, wenngleich die Linken sich nicht wegen rückgängiger Weltmarktanteile beunruhigen sollten, sondern wegen der sozial, ökologisch und global verheerenden Entwicklung der EU: Sie zerstört menschliche Lebensbedingungen und politische Handlungsmöglichkeiten und spitzt globale Probleme zu. Dabei könnte sie Gegenteiliges und damit sehr Notwendiges und Positives bewirken.

Der Gipfel hat die destruktive Entwicklungsrichtung bekräftigt. Zugleich hat er die Instrumente und Mechanismen herrschender Außenpolitik vervollkommnet und so die destruktive Entwicklung weiter forciert. Wären die Ziele und Akteure andere, wäre schon vernünftig: „Was konkrete Maßnahmen im Hinblick auf eine ganz allgemeine Verbesserung des Funktionierens der Außenpolitik der Europäischen Union anbelangt, so fordert der Europäische Rat einen stärker integrierten Ansatz, der sicherstellt, dass alle einschlägigen Instrumente und Politiken der EU und der Mitgliedstaaten vollständig und auf kohärente Weise im Einklang mit den Bestimmungen der Verträge im Dienste der strategischen Interessen der Europäischen Union eingesetzt werden. Die Bedeutung, die Fragen wie beispielsweise Klimawandel, Energiepolitik, Handel, Entwicklung oder Justiz und Inneres, einschließlich Migration und Visumpolitik, im Rahmen von Verhandlungen mit einzelnen Partnern wie auch auf multilateraler Ebene haben, muss bei den Vorbereitungen für Gipfeltreffen und internationale Veranstaltungen in vollem Umfang berücksichtigt werden.“ Es gehe um Planung und Koordinierung, um alle Möglichkeiten zu erschließen, so effektiv wie möglich die eigenen Interessen in der Welt durchzusetzen.

Betrachtet man die Schlussfolgerungen des Vorsitzes, zeigen sich insbesondere zwei Aussagen: a) Die strategischen Partner sind jene, die über ein großes Territorium und wichtige Ressourcen verfügen. Das betrifft die USA, arme Länder in Afrika und Lateinamerika mit wichtigen Rohstoffen und landwirtschaftlichen Nutzflächen, die an Wirtschaftskraft zunehmenden Konkurrenten insbesondere in Asien, Russland und seine Nachbarn. b) Es geht in erster Linie um die eigenen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen.

Und die haben wesentlich mit den „Global Trends 2025“[1] zu tun, die auch Hannes Swoboda und der European Round Table kennen und die „EU 2020“ und „EU 2030“ erklären. Danach würden folgende Entwicklungen die Zeit bis 2025 prägen:

–          bei zunehmender Weltproduktion und expandierendem Welthandel sinken die Anteile von EU und Japan während die chinesischen wachsen

–          bei rasanter Ressourcenverknappung werden China, Indien und Südkorea zu einem „weltwirtschaftlichen Gravitationszentrum“; mit Brasilien entsteht ein weiterer neuer Konkurrent

–          USA und EU können ihre wissenschaftliche und technologische Hegemonie verlieren; China hingegen kann sein Forschungs- und Entwicklungspotenzial steigern

–          die Weltbevölkerung wächst auf acht Milliarden an, wobei 97% des Wachstums auf Asien und Afrika entfallen; der Anteil der EU an der Weltbevölkerung sinkt

–          30% der EU-Bürger/innen werden älter als 65 Jahre sein; wegen der Rentenfonds müssen die Staatsquoten um mindestens 5% wachsen

–          die globale Nachfrage nach Energie expandiert; 2030 wird die EU 70% ihres Energiebedarfs importieren

–          die globalen Auswirkungen von Reduzierungen klimaschädigender Emissionen durch die EU werden geringer

–          in der EU wachsen die inneren Widersprüche.

Dem globalen Akteur EU droht also ein massiver Bedeutungsverlust. Die Neoliberalen – vorneweg der European Round Table – blasen zur Offensive im Interesse „der Wirtschaft“ und so angeblich auch der EU-Bürger/innen.

Die Linken in der EU müssen endlich erklären, wie die EU zu einem globalen Akteur werden kann, der solidarisch hilft, soziale, ökologische und globale Probleme gerecht zu lösen.


[1] Report „Global Trends 2025: A Transformed World” , National Intelligence Council, Washington, 2008

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