Feed on
Posts
Comments

Konjunkturen der Krise

Große strukturelle oder organische Krisen verlaufen in unterschiedlichen Konjunkturen: vier haben wir bereits erlebt, ein fünfter und sechster Akt stehen bevor.

Die Krise geht in die nächste Runde. Denn schon die grundlegenden ökonomischen Ursachen der strukturellen Krise werden nicht grundsätzlich angegangen – von den anderen Dimensionen der multiplen Krise (vgl. IfG I) ganz zu schweigen. Im Gegenteil: die Form der Bearbeitung der Krise bereitet jeweils die nächste Krisenkonjunktur vor. So wurde die größte Finanzkrise seit 1929 wurde mit gigantischen Bankenrettungsprogrammen und unbegrenzter Bereitstellung von Liquidität durch die Zentralbanken bearbeitet, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu vermeiden – dies war der erste Akt. Kurz darauf und eng damit verwoben folgte der zweite Akt: eine Weltwirtschaftskrise, die in den alten und neuen kapitalistischen Zentren mit einer Welle von Konjunkturprogrammen bearbeitet wurde. Diese Krisen und Krisenreaktionen führten zu einer enormen Ausgabensteigerung der Staaten – ohne dass die finanzielle Überakkumulation signifikant abgebaut worden wäre (nur ca. 2 Bio. $ fiktiven Kapitals wurden laut Financial Stability Board real abgeschrieben und damit vernichtet). Auch die extremen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen wurden nicht abgebaut.

Es folgte der dritte Akt: eine Schuldenkrise, die zuletzt die Eurozone trifft. Griechenland ist dabei nur die Spitze des Eisberges (vgl. Candeias, mehring1-blog). Die Euro-Zone liegt mit einem Schuldenstand von über 80 % und Neuverschuldungsquoten von mehr als 6 % für 2010 wie auch für 2011 (beides in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) deutlich über den Maastricht-Kriterien (Gesamtschuldenstand nicht über 60 %, jährliche Neuverschuldung maximal 3 % des BIP). Am härtesten betroffen sind nicht etwa die besonders ausgabenfreudigen Länder, sondern jene, die in der Vergangenheit besonders mit niedrigen Steuersätzen um das scheue Reh buhlten und eher niedrige Staatsquoten aufwiesen. Innerhalb kürzester Zeit werden erneut hunderte von Milliarden Euro mobilisiert, um das Schlimmste zu verhindern: den Staatsbankrott eines Mitgliedes der Eurozone, der schlimmere Folgen nach sich ziehen würde als der Lehmann-Schock. Nun überbieten sich die Regierungen mit Sparprogrammen: Rentenkürzungen, Lohnkürzungen, Kürzungen bei Kindergeld oder Familienhilfen, Senkung der Arbeitslosenhilfe und ein Investitionsstopp, der auch vor notwendigen Ausgaben für Infrastrukturen, Kinderversorgung oder Bildungseinrichtungen nicht halt macht – die Reproduktionskrise wird auf diese Weise weiter vertieft. Obwohl die Vorstellung des Sparzwangs noch immer im Alltagsverstand verankert ist, überzeugt die Lösung nicht angesichts der Einseitigkeit der Belastungen für die Bevölkerung ohne die Verantwortlichen zur Kasse zur bitten.

Hier liegt der Keim für den vierten Akt der Krise: eine grassierende Repräsentationskrise. Die sozialistische Regierung Ungarns hat sich bereits selbst geopfert um den Haushalt zu sanieren. Jetzt regieren dort Rechtsnationale mit Nationalfaschisten. Minister der Regierung Zapatero befürchten, bereits jetzt die nächsten Wahlen verloren zu haben. Die irische Regierung erreicht mit gerade noch 13% Zustimmung zu ihrer Politik einen historischen Tiefpunkt. Und auch in Deutschland manövrierte die Inkonsistenz der Politik der Regierung, letztere in eine Krise und Umfragentiefs – immerhin über 90% der Unternehmer halten die Regierung für inkompetent. Aus der Krise der 1930er Jahre wurde gelernt, keynesianische Politiken sollen eine Depression verhindern. Zugleich wird im wesentlichen an neoliberalen Prinzipien liberalisierter Finanzmärkte und der Religion des Sparens festgehalten, eine Rückkehr zum Status quo ante angestrebt. Ohne an an die Ursachen der Krise zu gehen, ohne Reregulierung der Finanzmärkte und Umkehr in der Steuerpolitik gibt es jedoch keine Perspektive die aus der Krise hinaus führt. Die strukturkonsveravative Stabilisierung alter Strukturen (z.B. Abwrackprämie) verschärft zugleich die ökologische Krise.

Diese Inkonsistenz breitet den nächsten, fünften Akt der Krise vor: eine tiefe Rezession. Auch wenn das deutsche Sparprogramm vergleichsweise moderat ausfällt: statt der angekündigten 80 Mrd. €, sind nach Berechnungen der FTD tatsächlich nur 26,6 Mrd. € geplant, ca. 1% des BIP. Der Rest sind zu erwartende höhere Einnahmen durch die verbesserte Konjunktur, Einnahmen aus sinnvollen und weniger sinnvollen künftigen Steuererhöhungen und der Transaktionssteuern, deren Zukunft mehr als ungewiss ist. Doch wäre Deutschland das einzige Land, das angesichts relativ guter Haushaltslage und gigantischer Exportüberschüssen in der Lage wäre, über eine Ausweitung der Ausgaben die europäische Konjunktur zu stützen. Nur das würde eine Perspektive bieten, um die Ungleichgewichte in der Eurozone auszugleichen und Exportaussichten für deutsche Produkte – wenn sie den gewünscht sind – zu verbessern. Denn wenn alle Länder zugleich sparen ist eine Rezession unausweichlich – auch für Deutschland (über 65% der Exporte gehen in andere europäische Länder). Aber solche ökonomischen Zusammenhänge sind zu komplex. Der neurotisch-religiöse Sparzwang bietet vielmehr eine gute Gelegenheit um ‘ausufernde’ Sozialausgaben, die ‘Anspruchsmentalität’ fauler Hart4-Empfänger und ‘überhöhte’ Lohnforderungen zurück zu drängen.

Ein drohender sechster Akt der Krise: die rechtspopulistische Lösung…

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Facebook IconTwitter IconView Our Identi.ca Timeline