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Eine wichtige Initiative

Durch den Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold wurde vor ein paar Tagen ein Aufruf zur Schaffung von Gegenexpertise zur Lobbyarbeit des Finanzsektors verbreitet. Er wird inzwischen von einer großen Zahl vor allem linker und grüner Abgeordneter verschiedener Parlamente sowie von einer noch größeren Zahl weiterer Menschen unterstützt.
In dem Aufruf heißt es:

„Wir, die für die Regulierung der Finanzmärkte und des Bankgewerbes zuständigen europäischen Abgeordneten, stehen täglich unter dem Druck des Finanz- und Banksektors, um den für die Branche geltenden Rechtsrahmen stärker zu beeinflussen.
Es ist durchaus korrekt, dass die Unternehmen dieser Branche ihre Standpunkte bekannt machen und regelmäßig mit dem Gesetzgeber Gespräche führen. Aber das Ungleichgewicht zwischen diesem Lobby und der Mangel an Gegen-Expertise erscheint uns eine Gefahr für die Demokratie. Die Lobbyarbeit einer Interessensgruppe muss in der Tat durch Stellungnahmen anderer ausgeglichen werden. Zum Thema Umwelt und öffentliches Gesundheitswesen haben die Nichtregierungsorganisationen (NRO) der von der Industrie vertretenen Auffassung eine echte Gegenexpertise entwickelt. Das Gleiche gilt im sozialen Bereich für Arbeitgeber- und Gewerkschaften. Diese Gegenüberstellung ermöglicht Abgeordneten, widerstreitende Argumente anzuhören. Für den Finanzsektor trifft das nicht zu. Weder die Gewerkschaften noch die NRO haben eine Expertise entwickelt, die derjenigen der Industrie Stand halten.“

Damit werden zwei wesentliche Punkte der gegenwärtigen Auseinandersetzungen deutlich gemacht – in der Krise werden Grundfragen von Demokratie neu gestellt – und: der Finanzbereich war bisher auch für die Linken vor allem ein Bereich des Appellativen. Die Analyse von Finanz- und Haushaltspolitik ist ein wichtiger Schritt, um das Interpretationsmonopol der UnternehmerInnenseite bezüglich der Krise, ihrer Ursachen und Folgen zu brechen. Transparenz herzustellen ist unbedingt richtig und nötig. Allerdings wird das nicht ausreichen. Es geht darum, auf einer solchen Grundlage eine öffentliche Auseinandersetzung um Ziele und Kriterien der Anti-Krisenpolitik zu erreichen. Vor dem Hintergrund der enormen Staatsverschuldung geht es um ein Monitoring vor allem auch der Haushaltspolitik als erster Schritt zu ihrer Demokratisierung. Die internationalen Erfahrungen mit verschiedenen Formen partizipativer Haushaltpolitik, darunter den Bürgerhaushalten auch in Deutschland, zeigen, dass die Zeit reif ist. Auch Bürgerhaushalte sind ein Feld von Auseinandersetzung geworden, und die Bereitschaft Linker, sich zurückzuziehen, ist groß. Das Argument ist seit Jahren das Gleiche: es hat ja keinen Zweck, es ist kein Geld da und die Menschen werden nur gezwungen, sich an Kürzungen zu beteiligen. Die Erfahrungen zeigen aber gerade, dass Kürzungsvorstellungen über Bürgerhaushalte eben nicht ohne weiteres durchsetzbar sind. Hier, in der Haushaltspolitik wird das, was man im angestrebten Monitoring der Politik der Finanzwirtschaft ermittelt, konkrete Politik. Gegenexpertise ist also von der EU- bis zur lokalen Ebene nötig. Und die Erfahrungen zeigen, dass sie da ist und dass sie aber einen Raum braucht. Die Abgeordneten sollten sich deshalb ernst nehmen und ihre Initiative über die Ebenen hinweg weitertreiben. Ohne aktiven öffentlichen Rückhalt wird auch die schönste Expertise politisch wirkungslos bleiben. Dieser öffentliche Rückhalt ist aber dann stark, wenn die Initiative etwas mit dem unmittelbaren Leben und Erleben von Menschen zu tun hat.

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