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Der Spaß ist zu Ende: die Regierungen spielen mit dem Feuer – leider im wörtlichen Sinne. Spätestens seit der Einführung des Euro zersetzt das deutsche Lohndumping die Wettbewerbsfähigkeit anderer EU-Länder, der schwächsten zu erst, ohne dass diese das über eine Abwertung ihrer Währung ausgleichen könnten. Permanente Lohnsenkung in einem ohnehin vergleichsweise armen Land mit Durschnittslöhnen um 700 € wären nicht nur ungerecht gewesen, sondern auch untauglich, um die Wettbewerbsnachteile auszugleichen.Entsprechend spielt der Export kaum eine Rolle, Länder wie Griechenland oder Portugal mussten massive Handelsbilanzdefizite hinnehmen. Es bleibt einer Regierung wie der griechischen nichts anderes übrig, als ein ohnehin geringes Wachstum durch Staatskonsum zu stützen, was wiederum zu steigenden Haushaltsdefiziten führt. Das war solange kein Problem, als bei einem niedrigen Zinsnviveau und reichlich Liquidität auf den Märkten Kredite günstig zu haben waren und Staatsanleihen stets ihre Abnehmer fanden (nicht zuletzt bei deutschen Großbanken). Der immense Kapitalexport von Seiten der Überschussländer garantierte einen stetigen Fluß der Refinanzierung. Die langjährige kreditfinanzierte Nachfrage von Konsumenten und Regierungen der Defizitländer stützten in allererster Linie auch den deutschen Exportboom und damit ein bescheidenes Wachstum in Deutschland. …bis die Krise dem ein Ende setzte.

Entsprechend gibt es auch aus der EU Kritik am Exportwahn Deutschlands und den daraus entstehenden makro-ökonomischen Ungleichgewichten – nicht nur von den Defizitländern, sondern auch von der EU-Kommission oder Frankreich: nicht nur für Griechenland oder Irland, auch für Deutschland werden nun „Strukturreformen“ zur Stärkung der Binnennachfrage gefordert. In der konkreten Politik ist davon nichts zu spüren.

Griechenland werden drakonische Sparprogramme abverlangt. Reduzierung der Ausgaben, Senkung der Löhne, Erhöhung der Mehrwertsteuer, schärfere Steuereintreibung. Der Klassencharakter dieser Forderungen ist überdeutlich. Weder wird der Finanzsektor Griechenlands einbezogen, noch jene, die zu den Ungleichgewichten ebenso beitrugen wie die Griechen: Deutschland etwa. ‘Unsere’ Regierung spielt sich lieber als Retter und Zuchtmeister zugleich auf. Die Kredite müssen zurückgezahlt werden – und zwar mit Zins und einer schönen Arbitrage oben drauf.

Die Griechen können sich jedoch nicht aus der Krise heraus sparen. Die Kürzungen werden eine schwere Rezession nach sich ziehen (während sich die reichen Länder Konjunkturpakete genehmigten). Um einigermaßen wettbewerbsfähig zu werden, müssten die Löhne um 20 bis 30 Prozent fallen. Dies ist weder hinnehmbar noch durchsetzbar. Und selbst das hätte in einer tendenziell deflationären Situation in Europa keine höheren Exporte zurfolge. Denn alle sparen und senken die Kosten.

Es gibt nur einen Ausweg: Die Gläubiger müssen bluten. Ein großer Teil der Forderungen muss abgeschrieben werden, der Rest umgeschuldet. In allen Ländern sollten die Kosten der Krise für den Anfang durch Bankenabgaben und Transaktionssteuern ausgeglichen, ‘systemrelevante’ Banken zerlegt und vergesellschaftet werden. Die möglichen Maßnahmen zum massiven Abbau der finanziellen Überakkumulation sind bekannt. Paul Volker (ehemaliger Vorsitzende des Fed und Chefberater von Obama) und Co bestätigen: die vermeintlichen Finanzinnovationen haben nichts gebracht fürs ersehnte Wachstum – also weg damit. Davon wird das Wachstum auch nicht geringer – aber die die Lasten werden gerechter verteilt und (staatliche) Mittel für Investitionen frei. … Und das mit dem Wachstumfetisch ist ja auch nicht unproblematisch.
Fragt sich nur: warum eigentlich regt sich bei uns keine Wut? Freilich ohne dass Menschen zu Tode kommen.

5 Responses to “Griechenland entschulden!”

  1. Mario Candeias sagt:

    Hier findet sich eine erklärung des wissenschaftlichen Beirats von attac zu Krise in Griechenland:
    www.attac-netzwerk.de/das-netzwerk/wissenschaftlicher-beirat/erklaerungen-stellungnahmen/

  2. Mario Candeias sagt:

    Und jetzt mal Deutschland
    Wir schreiben das Jahr 2013: Die Griechenlandkrise ist fast vergessen, die Volkswirtschaft wächst wieder. Doch nun kommen aus Deutschland schlechte Nachrichten. Wer hilft uns? Ein Zukunftsgedankenspiel. von Thomas Fricke:
    www.ftd.de/politik/konjunktur/:kolumne-fricke-und-jetzt-mal-deutschland/50111105.html

  3. Lutz Brangsch sagt:

    Gesine Lötzsch hat zu diesem Thema eine sehr gute und provokante Rede im Bundestag gehalten: www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1387401633
    Bemerkenswert sind auch die Zwischenrufe – vor allem von seiten der Grünen. Die hier manifeste Pervertierung des Begriffes Solidarität ist bemerkenswert. Die tumultartige Reaktion auf die Bemerkung zu den “Taliban in Nadelstreifen” kann man schon als Ausdruck einer weitgehenden Oligarchisierung in Deutschland verstehen – viele ParlamentarierInnen scheinen sich “dazugehörig” zu fühlen. Die Analogie trifft – es ist ein Netzwerk der Macht – ohne EIN Zentrum, aber von einem Interesse getrieben. Sowohl herrschaftsseitig wie auch sozial ist das Handeln der Bundesregierung der Testfall für Deutschland. ( brangsch.de/blog/?p=449 )
    Die EU und Deutschland haben sich für den repressiven Weg der Krisenlösung entscheiden – das ist nicht sonderlich überraschend, zeigt aber auch, in welchem Maße sie sich sicher fühlen. Die zuerst mauen Reaktionen von Gewerkschaften und Parteien haben ihr das auch leicht gemacht. ( brangsch.de/blog/?p=455 )

  4. Anne Steckner sagt:

    The general strike of the 5th May against the cuts imposed by the IMF, EU and the Greek government was the most massive of the last decades. More than 150.000 people joined the demonstration in Athens, despite the violent repression by the Greek police. Massive were also the demonstrations in Thessaloniki, Patra, Larisa, Ioannina and other Greek cities. It is obvious that working people will not accept the unjust measures taken by the Greek government. At the same time people are very shocked by the deaths of three bank-employees, during the demonstration in Athens. Here is the statement of an employee of the Marfin Bank – the bank whose branch was set alight in Athens, where the three employees died. (translation by: Occupied London www.occupiedlondon.org) – Deutsche Übersetzung: www.fau.org/artikel/art_100506-084352

    “I feel an obligation toward my co-workers who have so unjustly died today to speak out and to say some objective truths. I am sending this message to all media outlets. Anyone who still bares some consciousness should publish it. The rest can continue to play the government’s game.

    The fire brigade had never issued an operating license to the building in question. The agreement for it to operate was under the table, as it practically happens with all businesses and companies in Greece.
    The building in question has no fire safety mechanisms in place, neither planned nor installed ones – that is, it has no ceiling sprinklers, fire exits or fire hoses. There are only some portable fire extinguishers which, of course, cannot help in dealing with extensive fire in a building that is built with long-outdated security standards.
    No branch of Marfin bank has had any member of staff trained in dealing with fire, not even in the use of the few fire extinguishers. The management also uses the high costs of such training as a pretext and will not take even the most basic measures to protect its staff.
    There has never been a single evacuation exercise in any building by staff members, nor have there been any training sessions by the fire-brigade, to give instructions for situations like this. The only training sessions that have taken place at Marfin Bank concern terrorist action scenarios and specifically planning the escape of the banks’ “big heads” from their offices in such a situation.
    The building in question had no special accommodation for the case of fire, even though its construction is very sensitive under such circumstances and even though it was filled with materials from floor to ceiling. Materials which are very inflammable, such as paper, plastics, wires, furniture. The building is objectively unsuitable for use as a bank due to its construction.
    No member of security has any knowledge of first aid or fire extinguishing, even though they are every time practically charged with securing the building. The bank employees have to turn into firemen or security staff according to the appetite of Mr Vgenopoulos [owner of Marfin Bank].
    The management of the bank strictly bared the employees from leaving today, even though they had persistently asked so themselves from very early this morning – while they also forced the employees to lock up the doors and repeatedly confirmed that the building remained locked up throughout the day, over the phone. They even blocked off their internet access so as to prevent the employees from communicating with the outside world.
    For many days now there has been some complete terrorisation of the bank’s employees in regard to the mobilisations of these days, with the verbal “offer”: you either work, or you get fired.
    The two undercover police who are dispatched at the branch in question for robbery prevention did not show up today, even though the bank’s management had verbally promised to the employees that they would be there.
    At last, gentlemen, make your self-criticism and stop wandering around pretending to be shocked. You are responsible for what happened today and in any rightful state (like the ones you like to use from time to time as leading examples on your TV shows) you would have already been arrested for the above actions. My co-workers lost their lives today by malice: the malice of Marfin Bank and Mr. Vgenopoulos personally who explicitly stated that whoever didin’t come to work today [May 5th, a day of a general strike!] should not bother showing up for work tomorrow [as they would get fired]. An employee of Marfin Bank”

  5. […] PASOK-Regierung und hat das größte Sparpaket der griechischen Geschichte durchgesetzt (zu den Folgen). Ein weiteres ist nun am 29.06.2011 beschlossen worden. Dies zeigt nicht nur, wie tief die […]

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