Feed on
Posts
Comments

Think Tanks in EU-Debatte

Das Brüsseler Büro der Bertelsmann Stiftung hat gemeinsam mit dem Institut Francais des Relations Internationales ein Think Forum zur Lage der Europäischen Union initiiert. Ihr gehören insgesamt neun Think Tanks an, die von nun an alljährlich im Januar über die Verfasstheit und die Rahmenbedingungen der EU diskutieren wollen. Sinn und Zweck sind, das Gewicht von Think Tanks für EU-Entscheidungsprozesse zu erhöhen. Der Auftakt des Think Forums mündete in die Konferenz „From Lisbon Treaty to Global Recession: out of the frying pan into the fire“. Ca. 130 Fachleute referierten und debattierten. Das Schlussplenum tagte öffentlich mit aktiver Beteiligung des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso.

Das Studium der Forum-Dokumente ist aufschlussreich. Es dominiert der Gedanke von einem nach außen mehr abgeschotteten, innenpolitisch stabilen globalen Akteur EU, dessen Unternehmen auf den globalen Märken ihre Anteile mehren und zuverlässig mit notwendigen Ressourcen versorgt sind. Dieser Akteur stärkt seine wirtschaftspolitische Regulierung und vertritt in der globalen Politik nachhaltig ein Interessenbündnis von in der EU Herrschenden und einer spezifischen Mittelklasse.

Diese Aussage wird durch die Berichte gestützt, die fünf weitere Schlussfolgerungen erlauben: 1. Wird der Lissabonner Vertrag im Allgemeinen als nicht zeitgemäß angesehen, denn der globale Akteur EU agiere nicht ausreichend als solcher. Es dürfe nicht sein, dass solche Felder wie Besteuerung, Sozialpolitik, Verteidigung mehr dem guten Willen zur Absprache statt der klar geregelten Regulierung unterliegen. Es fehle an strategischer Vision und klar sichtbarer EU-Politik in den globalen Institutionen. Viel zu viel bleibe in nationalstaatlicher Kompetenz. 2. Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeige, dass der Lissabonner Vertrag nicht ausreichend sei, um wirksame wirtschaftspolitische Interventionen zu ermöglichen. Schließlich wären alle Reaktionen auf die Krise viel zu spät erfolgt. Das Problem könne mit der Strategie „EU2020“ gemildert bzw. gelöst werden. Sie sei eine gute Initiative, aber dürfe nicht all zu restriktiv gegenüber den Banken sein. 3. Das Stockholmer Programm, das die Prioritäten für die nächsten fünf Jahre auf dem Gebiet Justiz und innere Sicherheit bestimmt, müsse in ein „Stockholm Plus“ umgewandelt werden, um mehr an Einfluss auf die Entwicklung der Asyl- und Migrationspolitik zu entwickeln. Die Passagen im „Bulletin Quotiden Europe“ lassen zusammen zucken. Offenbar wird die Shame Directive zum allgemeinen Maßstab für künftige Migrationspolitik. Migration außer der zeitweiligen von Spitzenkräften droht, zum kriminellen Delikt zu werden und die Suche nach Asyl zu illegaler Einwanderung. 4. Nach dem Klimagipfel von Kopenhagen scheint man weitgehend der Ansicht zu sein, die EU hätte ausreichend verantwortungsvoll gehandelt. Einige Redner/innen verlangten mehr Regulierung, um die Energieeffizienz zu steigern, die „Entkarbonisierung“ des Transports zu forcieren und die Wärmedämmung von Gebäuden zu verbessern. Eine Erhöhung des Absenkungsziels von 20 auf 30% wäre hingegen wenig attraktiv. Der UN-Prozess könne nicht erfolgreich sein, weil es keinen vernünftigen Konsens geben könne. 5. Mit erschreckender Gelassenheit sieht man einem „neuen Kolonialismus“ entgegen, der als unausweichliche Folge von Ressourcenverknappung und -kämpfen verstanden wird. Die fortschreitende Fragmentierung der Gesellschaften erhöhe den Migrationsdruck, wogegen sich die EU abschotten müsse. Auch müsse sie ihre militärische Rolle stärken und der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Konflikte mehren: Afrika gegen China, verschärfte Nationalismen, fortschreitende soziale Polarisierung in den USA und in der EU. In der EU müsse mehr  Solidarität und Zusammenarbeit der reichen Regionen mit den armen ausgeprägt und zum Modell für die internationale Ebene entwickelt werden.

Im Abschlussplenum warb Barroso für mehr wirtschaftspolitische Koordinierung. „Ich wünsche mir ein ambitioniertes Europa mit einer Transformationsagenda“, meinte der Kommissionspräsident hoffend auf eine Strategie „EU2020“, die insbesondere die Wirtschaft modernisieren und beleben helfen soll.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Facebook IconTwitter IconView Our Identi.ca Timeline