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Neue Gipfel, „EU2020“ und Green New Deal

Während die EU-Kommissions-Anwärter/innen noch Pflicht und Kür laufen, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments hier hören, schauen und agieren, bereiten wesentlich EU-Beamte zwei Gipfel vor: den Sondergipfel zur Wirtschaft am 11.2. und den zur EU-Reformstrategie im März. Bemerkenswert ist dreierlei:

1. Kurz nach dem Fiasko von Kopenhagen spielt es in der europäischen Öffentlichkeit nur kaum eine Rolle, dass das UNO-Klimasekretariat die freiwilligen Klimaziele der großen Industrie- und Schwellenländer einsammelt. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweden, die Niederlande und Dänemark wollen das CO2-Minderungsziel der EU für 2020 von 20 auf 30% gegenüber 1990 erhöhen. Auch das ist gemessen an den Klimaproblemen wenig. Aber der Protest ist stark und nachdrücklich. Die ehemalige dänische Umweltministerin und designierte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard weiß das sehr wohl und befürchtet Druck pro Atomenergie. Sie setzt nunmehr auf CO2-Emissionssenkungen in der Landwirtschaft und im Verkehr.

2. Mit dem In-Kraft-Treten des Lissabonner Vertrages wurde das informelle Gremium der Finanzminister/innen im Euro-Raum zur offiziellen Institution. Deren Einfluss will Jean-Claude Juncker, der die Eurogruppe seit 2005 führt, stärken – zum einen im Verhältnis zur EU-Kommission, die ihre Kontroll-Autorität gegenüber den Euroländern stärken soll, zum anderen bei einer EU-Positionierung im Rahmen der G20. Am 11.2. will Juncker insbesondere über Exitstrategien aus staatlichen Konjunkturprogrammen diskutieren, um die öffentlichen Finanzen zu sanieren.

3. Die Konsultation zum Arbeitspapier der Europäischen Kommission „EU2020“ ist beendet, obwohl verschiedene Akteure forderten, sie fortzusetzen. Bis auf die Spring-Allianz, das Europäische Netzwerk gegen Armut und einige sozialpolitisch orientierte Akteure spielten Armut und soziale Ausgrenzung nur eine marginale Rolle, trotz wachsender Probleme und Europäischem Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Vertreter der neuen Technologien wie z. B. „Euromed“, ein Verbund von Unternehmen der Medizintechnik, begrüßen das Kommissionspapier, ebenso „Europäische Partner für Umwelt (European Partners for the Environment EPE)“. Letztere vereinen eine bemerkenswerte Anzahl verschiedener Akteure, die dem Konzept der „Führung durch Partnerschaft“ anhängen und einen „Systemwechsel hin zu Ressourceneffizienz und nachhaltiger Entwicklung“ wollen: Regierungs- und Verwaltungsmitglieder, Abgeordnete verschiedener Parlamente, Unternehmer/innen, Banker/innen, Subjekte der Zivilgesellschaft. Es sind in der Regel GRÜNE bzw. mit den GRÜNEN Sympathisierende. Sie unterstützen neben den Grundideen des Konsultationspapiers der Europäischen Kommission den Vorschlag des Präsidenten, J. M. Barroso, eine Fünf-Jahres-„Transformationsagenda“ aufzulegen, um das Vertrauen in die europäischen Banken wiederherzustellen. Das käme einer „Green New Deal Führerschaft“ zu Gute.

Es wird also klargestellt, dass hier „Green New Deal“ auf globale Konkurrenz zielt, womit soziale Spaltungen erhalten bleiben und weiter zugespitzt werden.

EPE steht auch hinter der Allianz für Ressourceneffizienz (The Ressource Efficiency Alliance), die ebenfalls das Konsultationspapier unterstützt und dennoch kritisiert: Das Arbeitsdokument der Kommission würde den Bürger/innen nicht sagen, was von ihnen erwartet wird, es spreche sie nicht an. „Wir brauchen eine Ära ‚politischer Innovation’, die aus einem ‚offenen Innovationsprozess’ in einer Wissensgesellschaft hervorgeht und den Staat, den Markt, die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft einschließt.“

65 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges sollten die Herausforderungen klargestellt werden: „Klimawandel, Biodiversität, die Knappheit an natürlichen Ressourcen, Energie und Finanzen, die EU prosperierender für alle machen“. Die Akteure der Zivilgesellschaft würden insbesondere gebraucht, um in Europa die Spaltung zwischen Ost und West zu überwinden. Nötig sei eine Allianz ähnlich der Anti-Hitler-Koalition, um „den ‚Widerstand’ unserer politischen, sozialen und ökologischen Systeme zu erhöhen und sie fähig zu machen, die globale Krise und ihren Einfluss auf die Union zu anzugehen.

Die Transformation unserer Volkswirtschaften zu einer nachhaltigen kohlenstoffarmen und global konkurrenzfähigen Wirtschaft und einer Wohlstandsgesellschaft für alle ist technisch und finanziell machbar, aber erfordert einen neuen ‚Gesellschaftsvertrag’ und eine ‚gemeinsame Multi-Stakeholder Aktionsagenda’.“

Die Annahme der Strategie „EU2020“ müsse partizipatorisch erfolgen, denn: „Die Zukunft hängt nicht ausschließlich von Veränderungen der Produktions- und Konsumtionsstrukturen und sauberen Technologien ab, sondern auch von neuen Formen von Solidarität und sozialen Verhältnissen.“ Weiter wird geschlussfolgert: „Politische Führung ist erforderlich, um 2010 einen neuen Europäischen Konvent mit dem Namen ‚Europa 2020’ zu formieren.“ Es würde nicht darum gehen, die Europäischen Verträge zu verändern, sondern es sei ein Vertrag zwischen drei Seiten (offizielle politische Institutionen, Wirtschaft, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft) gemeint. Der „europäischen Traum“ wäre neu zu erwecken.

Dieser Drei-Seiten-Vertrag solle insbesondere sozial-kulturelle Normen und institutionelle Strukturen verändern helfen. Das sei notwendig, um sowohl „technische als auch nicht-technische Veränderungen“ zu meistern – „Systeminnovation“. „Europas Konkurrenzfähigkeit in einer globalisierten Welt mit dem Vertrags-Ziel ‚nachhaltige Entwicklung’ verlangt einen Paradigmenwechsel im Herangehen an wirtschaftliche und soziale Entwicklung, an Umweltschutz, Handel und Zusammenarbeit mit den anderen Teilen der Welt, öffentliche Leistungen, Selbstversorgung und soziale Ökonomie. Der Rahmenvertrag wird zu einer einheitlichen Strategie und zu spezifischen koordinierten Aktionsprogrammen führen.“

Die EU 2020 soll auch „Europa’s Globale Agenda für Partnerschaft“ einschließen. Schließlich brauche die EU eine klare Orientierung für ihren Beitrag zu einer neuen Architektur globaler und regionaler Partnerschaften. Die europäische Agenda müsse die gegenwärtigen EU-Partnerschaften und EU-Verträge mit Entwicklungsländern gründlich überholen, denn nötig sei politische Kohärenz für Entwicklung. Deshalb müsse die EU global anders agieren, auch bezüglich ihrer Partner in der ersten Welt, damit der dritten wirksam geholfen würde.

Das aber geht nicht zusammen mit Orientierung auf globale Konkurrenzfähigkeit. “Armut” ist nicht einmal ein Begriff im Papier der Allianz.

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