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Der kurze Text reflektiert einige Dokumente jüngster EU-Politik und zeigt, wie Widersprüche neu gesetzt und Probleme gemehrt werden. Die politischen Prioritäten der regierenden Politik und die Organisation ihrer Realisierung lassen auch nichts anderes zu. Man ist in den selbst produzierten Zwängen und Mechanismen gefangen und reagiert, indem man sie zuspitzt und perfektioniert.

Die Europäische Kommission hat am 14. Oktober die Mitteilung „Langfristig tragfähige öffentliche Finanzen für eine sich erholende Volkswirtschaft“ vorgelegt. Am 20. Oktober tagten die Finanzminister/innen, um den Europäischen Rat in der nächsten Woche vorzubereiten. Sowohl die Mitteilung der Kommission als auch die Schlussfolgerungen der Finanzminister/innen verkünden drei Botschaften: 1) Es gilt mit Blick auf den für 2010 erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung, geordnet aus den staatlichen Konjunkturprogrammen auszusteigen – „Exit-Strategie“. 2) Es gibt den breiten Konsens, eine Europäische Behörde für systemische Risiken einzurichten, die die Finanzaufsicht für das Bankwesen, die Versicherung und die Sicherheitenmärkte realisiert. 3) Es soll – und das hat mit 1) zu tun – an den geltenden Regelungen und Orientierungen zur Verschuldung konsequent festgehalten werden.

„Frühere Erfahrungen zeigen, dass Krisen – indem sie die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Strukturreformen vor Augen führen – eine Chance darstellen, die Regierungen nutzen können, um bei Strukturreformen entscheidende Durchbrüche zu erzielen. Finanzpolitische Ausstiegsstrategien zur Rückkehr zu ehrgeizigen und realistischen mittelfristigen Zielen müssen jetzt festgelegt und auf koordinierte Weise umgesetzt werden, sobald die wirtschaftliche Erholung greift, wobei den spezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern Rechnung zu tragen ist. Um die nötigen Reformen zu unterstützen und die Haushaltskonsolidierung – die sich unweigerlich über mehrere Jahre erstrecken wird – glaubhafter zu machen, werden die Mitgliedstaaten möglicherweise auch ihre eigenen stabilitätsfördernden institutionellen Regelungen ausbauen müssen. Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollte die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden in den Überwachungsverfahren eine deutlich hervorgehobene und explizite Rolle einnehmen.“

 … weshalb die Privatisierung der Rentensysteme – eine Ursache der Finanzkrise – forciert werden soll. Die Finanz- und Wirtschaftskrise soll genutzt werden, um gesellschaftliches Leben weiter zu kommerzialisieren und die Macht jener Akteure auszubauen, die an den Märkten die Stärkeren sind.  

Die Stärkung des Öffentlichen zwecks eines gesellschaftlichen und ökologischen Erfordernissen entsprechenden Umbaus von Produktions-, Verteilungs-, Transport- und Konsumtionsstrukturen ist kein Thema. Man meint, die Wirtschaft würde prosperieren, würden Spekulation eingeschränkt, monetäre Prozesse beobachtet und reguliert sowie am Wachstums- und Stabilitätspakt festgehalten.

Wachsende soziale Spaltungen, zunehmende gesellschaftliche und ökologische Zerstörung sind die zwangsläufigen Folgen. Sie setzen neue Wirtschaftskrisen und peitschen die Umwelt-, Ernährungs- und Energiekrisen an.

Am 21.10. erklärten die Umweltminister/innen der EU-Mitglieder, dass die gegenwärtigen multiplen Krisen immer dringlicher die Notwendigkeit zeigen, zu einer „öko-effizienten Wirtschaft“ überzugehen, „die auf nachhaltiger Produktion in allen Sektoren  und nachhaltigeren Lebensstilen basiert, womit inter alia auf das Wohnungswesen, den Transport und die Nahrungsmittelsektoren fokussiert wird“. Dies würde zugleich das Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger heben und die natürliche Umwelt entlasten. Der Übergang zur kohlenstoffarmen Wirtschaft würde die Konkurrenzfähigkeit der EU forcieren und eine bessere Verzahnung der Lissabonstrategie mit der Nachhaltigkeitsstrategie bedeuten. Das müsse die Grundprämisse für die Forschreibung der Lissabonstrategie für die Zeit nach 2010 sein und bedeutet: a) die Orientierung auf Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung, b) ein integriertes Herangehen an die Entwicklung aller Wirtschaftssektoren, c) die Internalisierung der externen Kosten in den Warenpreisen, d) wirtschaftliche Regulierung über Ökosteuern.

Es geht also um die Verbindung von Ökologisierung und Steigerung der Konkurrenzfähigkeit, womit wiederum wachsende soziale und globale Probleme hingenommen werden. Die Unterordnung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie unter die Lissabonstrategie verhindert sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung, spitzt menschheitliche Existenzprobleme zu.

Die Europäische Kommission hat am 15.9. die Mitteilung „Politkohärenz im Interesse der Entwicklung – politischer Rahmen für das gemeinsame Konzept der Europäischen Union“ vorgelegt. Darin wird einerseits eingestanden, dass mit den anhaltenden Krisen die Schere zwischen den Nöten und Problemen der Entwicklungsländer und den erforderlichen Hilfen seitens der „ersten Welt“ wächst, andererseits wird die Möglichkeit eingeräumt, die entwicklungspolitische Kohärenz auszuhebeln und unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise die skandalös geringe staatliche Entwicklungshilfe weiter zu reduzieren. Dabei erklärt die Mitteilung klar und deutlich, dass die erneute Zuspitzung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Entwicklungsländer wesentlich auf das Konto der „ersten Welt“ geht und dass die EU weit entfernt von den vor Jahrzehnten vereinbarten 0,7% BIP-Entwicklungshilfe ist.

 Das hindert nun die Umweltminister der EU-Staaten nicht, am 21.10. in ihren Schlussfolgerungen zur EU-Position zur Klimakonferenz in Kopenhagen zu fordern, dass die staatliche Entwicklungshilfe stärker klimatischen Erfordernissen Rechnung tragen soll. Es werden Anpassungshilfen an den Klimawandel und Hilfen für notwendige klimapolitische Veränderungen in den Entwicklungsländern verlangt und alle gegebenen Versprechen zur Reduktion klimaschädigender Emissionen wiederholt.

 Aber es wird keine einzige Zahl zu wirklichen Finanzhilfen genannt und dass die favorisierten Instrumente zur Reduktion der Klimabelastung den Problemen nicht angemessen sind, wurde schon oftmals umfassend nachgewiesen.

Hatten UNO-Experten klar gestellt, dass die Entwicklungsländer mindestens jährlich 22-50 Mrd. Euro Unterstützung für die offensive Auseinandersetzung mit der Klimakrise brauchen, sprach im September die Europäische Kommission von lächerlichen jährlichen 2-15 Mrd. Euro, die die EU geben würde.

 Die am 22.10. veröffentliche Studie zu 10 Jahren Europäischer Sicherheits- und Verteidigungsstrategie erklärt, dass man für die Fortsetzung der Erfolgsstory mehr Ressourcen, mehr Militarisierung der Außenpolitik und stärkere Institutionen brauche – man hält daran fest, Probleme zu zuspitzen und „Sachzwänge“ zu produzieren.

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