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Es ist ein verbreiteter Mythos, dass Haushaltspolitik etwas mit rechnen zu tun hätte. Wenn dem so wäre, hätten schon die meisten Staaten des Globalen Nordens wahrscheinlich Bankrott anmelden müssen. Die in offiziellen und in Schattenhaushalten angehäuften Staatsschulden sprengen inzwischen jede Vorstellungskraft. Haushaltspolitik ist eben Politik und so auf den Erhalt von Macht orientiert – nur vor diesem Grunde ist die Ablehnung von Verbesserungen in den sozialen Sicherungssystemen, die vielleicht Millionen kosten bei gleichzeitiger Akzeptanz von Milliarden, die in die Rettung von Unternehmen gesteckt werden, zu erklären. Während eine Stärkung der sozialen Sicherungssysteme nachhaltige Folgen hätte, werden die in Banken investierten Mittel zu guter letzt schlichtweg verloren sein, auch wenn das in einem rechnerisch korrekten Weg abgewickelt werden wird. Die jetzt diskutierten Bad-Bank-Pläne werden daran nichts ändern, sie geben der Entwertung von Kapital lediglich einen weiteren organisatorischen Rahmen, zusätzlich zu Soffin und Bafin.
Betrachtet man sich die Relationen zwischen den so entstehenden Schattenhaushalten und dem offiziellen Budget, stellt sich die Frage, wer eigentlich die relevanten Entscheidungen trifft – mithin politisch handelt. Hier kann man eigentlich nur von einer Oligarchisierung der Politik sprechen. Die Exponenten der Verwaltung dieser in Staatsschulden verwandelten privaten Schulden liegt in den Händen derer, die die Krise verursacht haben. Dazu gehört, dass die Exekutive immer mehr Dominanz gegenüber der Legislative gewinnt.
Die Angelegenheit hat aber noch eine weitere Seite. Über die Haushaltspolitik wird auch in Zeiten der Krise versucht, weiter den neoliberalen Umbau der Gesellschaft voranzubringen. So forderte die EU jüngst, die Privatisierung der Rentenversicherungen voranzubringen, aber dabei natürlich die Sicherheit der Einlagen zu gewährleisten. Der IWF bindet gerade jetzt die Gewährung einer Finanzhilfe an Lettland an eine drastische Reduzierung der Ausgaben des Staatshaushaltes – durch Kürzung von Löhnen im öffentlichen Dienst und durch den Abbau von sozialen Leistungen. Angesichts der allein im Bankensystem versenkten Milliarden ist die Forderung gegenüber einem kleinen Land, das noch vor kurzem für seine willige Unterordnung unter neoliberale Dogmen geachtet wurde, einfach pervers.
Man kann also sagen, dass die Haushaltspolitik in verschiedener Hinsicht ein entscheidendes Bindeglied zwischen der Erhaltung und Neustrukturierung wirtschaftlicher Macht und der Schaffung neuer politischer Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft ist. Für die Entwertung des relativ überschüssigen Kapitals (sei es im Finanzsektor oder in der Industrie und den Dienstleistungsbereichen) sind die öffentlichen Haushalte (seinen es die regulären oder die Schattenhaushalte) die entscheidenden Schaltstellen. Die bereits getroffenen Entscheidungen haben einen Mechanismus in Gang gesetzt, der schließlich über kurz oder lang hier genauso wie in Lettland wieder die sozialen bereiche unter Druck setzen wird – mit der Schuldenbremse ist dafür ein eigenes Instrument geschaffen worden.
Eigentlich müsste dann die Demokratisierung von Haushaltspolitik über alle Ebenen eine wesentliche politische Forderung der linken Bewegungen sein. Das Monitoring von Haushaltspolitik, der Aktivitäten der Soffin oder eben auf kommunaler Ebene der Verwendung der Mittel aus dem Konjunkturpaket II wären mögliche Ansatzpunkte. Politisches Handeln ohne die Entwicklung von Instrumenten, auf die Haushaltspolitik einzuwirken, kann in der jetzigen Situation nicht erfolgreich sein. Es ist richtig, für die Krise nicht zahlen zu wollen – aber es ist fahrlässig, bei dieser Losung stehen zu bleiben. Die Erfahrungen mit kommunalen BürgerInnenhaushalten sollten genutzt werden, um gerade in Krisenzeiten neue Formen politischen Handelns zu befördern. Es ist bemerkenswert, dass die Erfahrungen der lateinamerikanischen Linken mit Verfahren partizipativer Demokratie zwar immer wieder mit Ehrfurcht reflektiert werden, aber kaum zum Anlass der Veränderung eigenen politischen Handelns genommen werden.

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