In der Vergangenheit wurde Rosa Luxemburg auch und teilweise vor allem wegen ihrer konsequenten Gegnerschaft zu Militarismus und Krieg gewürdigt. Im Umfeld ihres diesjährigen Geburtstages ist es bemerkenswert still um diese Seite ihres politischen Vermächtnisses geblieben. Nun mag dies daran liegen, dass auch diese Seite ihres Denkens und Handelns kaum an den Originalquellen studiert wird. Ihr diesjähriger Geburtstag soll deshalb als Anlass dienen, die Entwicklung ihrer Vorstellungen über das Verhältnis von Krieg, Kapitalismus und Frieden in Erinnerung zu rufen.
Rosa Luxemburg wirkte in einer Zeit, in der es zwar in Zentraleuropa ruhig war, aber in anderen Weltteilen, auch im Süden Europas, kriegerische Konflikte an der Tagesordnung waren. Die Ruhe im Verhältnis zwischen den Großmächten England, Frankreich, Deutschland und Russland war zwar nur eine scheinbare, aber immerhin blieb diese Region von unmittelbaren kriegerischen Auseinandersetzungen verschont. Vor diesem Hintergrund, der weiter unten noch zu charakterisieren ist, entwickelte Rosa Luxemburg eine Position zu Krieg und Frieden, die sich in folgenden sechs Prämissen zusammenfassen lässt.
- Krieg ist ein Kulturbruch, ein Ausdruck von Barbarei.
- Krieg ist ein Ausdruck der dem Imperialismus eigenen Widersprüche und als solcher nicht durch Abkommen und andere Formen der Diplomatie zu verhindern. Ein dauerhafter Frieden ist unter imperialistischen Verhältnissen nicht möglich, soweit ihn nicht das Proletariat erzwingt.
- Das erfordert aber eben ein handlungsfähiges Proletariat. Man muss einen Krieg konsequent aus den Interessen des Proletariats heraus beurteilen, nicht unter dem Gesichtspunkt nationaler Interessen, die im gegebenen imperialistischen Milieu(!) von vornherein die Klasseninteressen der Bourgeoisie darstellen.
- Man muss immer hinter die ideologischen Phrasen und die Propaganda schauen, wenn man eine seriöse Beurteilung entstehender Kriege vornehmen will. Dabei spielt die Analyse des Werdens der Widersprüche, die sich in einem Krieg entladen, eine zentrale Rolle. Phrasen, wie Vaterlandsverteidigung, Selbstbestimmungsrecht der Nation, Verteidigung der Demokratie usw. sind in einem imperialistischen Milieu immer ein Mantel imperialistischer Expansionsinteressen. Krieg bringt keine Demokratie, daher muss man sich der Scheinalternative Sieg oder Niederlage entziehen. Bei der Analyse von Kriegsursachen und der Bestimmung von Auswegen geht es um die „geschichtliche Erfassung des Ganzen und seiner Weltzusammenhänge.“[1] Wer sich einer Analyse der Kriegsursachen entzieht, arbeitet imperialistischen Tendenzen in die Hände.
- Die Aufgabe der Partei besteht darin, die Massen zu befähigen, ihre eigenen Interessen zu erkennen und damit sich ihr eigenes Handeln zu ermöglichen. Auch in Kriegszeiten ist nicht der Parteiapparat die entscheidende Instanz, sondern die Partei. Die „Parteiinstanzen“ sind nicht zuletzt durch ihre soziale Stellung und ihre Einbindung in das politische System keine unkritisierbare und schon überhaupt nicht unfehlbare Institution.
- Ihre grundsätzliche Position zu imperialistischen Kriegen formuliert sie in dieser Weise:
Es ist eben der Krieg als solcher und bei jedem militärischen Ausgang, der die denkbar größte Niederlage für das europäische Proletariat bedeutet, es ist die Niederkämpfen des Krieges … durch die internationale Kampfaktion des Proletariats, die den einzigen Sieg für die proletarische Sache bringen kann.[2]
Vor allem die Aussage, dass der Krieg als solcher das Problem ist, ist in der heutigen Linken nicht mehr unumstritten. Daher soll nun die Frage behandelt werden, wie Rosa Luxemburg eigentlich zu dieser weitreichenden und für die gegenwärtige Linke offensichtlich unerhörten Position kommt, dass Kriege kein Mittel von Politik sein können. Continue Reading »