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Aus unserer Sicht ist ja eine „Politik neuer Vollbeschäftigung und guter Arbeit“ ein wichtiges Element einer linken Antikrisenpolitik. (siehe Diskussionsangebot „Die Krise des Finanzmarkt-Kapitalismus – Herausforderung für die Linke“ S.22)
Die Entwicklung der letzten Wochen bestätigt dies nachdrücklich. Die Frage, das und wie in der Krise Arbeitsplätze gesichert werden, wird sich in den nächsten Monaten zu einer zentralen Machtfrage entwickeln. Bisher ist die Befriedung möglicher Konfliktpotenziale in den einzelnen Ländern wie auch auf der Ebene der EU eine zentrale Angelegenheit. Das schnelle und harte Durchschlagen der Krise auf die Beschäftigungslage wirft auf allen Ebenen eine wesentliche Frage der Legitimität des jeweiligen Handelns auf. Dies muss vor allem aufs der Sicht der Oligarchie deshalb verhindert werden, um das politische und ideologische Monopol gleichermaßen bei der Bestimmung der Krisenlösungsrichtungen behalten zu können. Es soll vor allem gesichert werden, dass bei Abmilderung der Rezession der schnelle Rückzug des Staates und damit die Privatisierung der in die Stützung von Unternehmen geflossenen Mittel möglichst ohne Widerstand vonstatten gehen kann. Eine durch hohe Arbeitslosigkeit aufgeheizte soziale Situation könnte dem entgegenstehen. Auf dem Beschäftigungsgipfel der EU vom 7. Mai 2009 wurden praktisch nicht handhabbare Punkte benannt, die allerdings wieder in eine Bestätigung des Weiter-So auslaufen. Dazu gehört vor allem die strikte Orientierung der Beschäftigungspolitik auf den „freien Markt“ und die Erfordernisse der Unternehmen. Dementsprechend finden sich denn unter den Forderungen auch wieder die nach einer Verbesserung des Umfeldes für Unternehmen und Investitionen als Mittel der Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Senkung der Lohnnebenkosten, die Absenkung der administrativen Belastungen für Unternehmen, die Reduzierung unnötiger Regulierungen und schließlich die Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität. Eine spezifische Reaktion auf die Krise ist dort jedenfalls nicht sichtbar. Das bedeutet auch unter Berücksichtigung anderer Aktivitäten der EU, dass man zwar Krisenfolgen sozial abfedern, aber an den Machtverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt keine noch so kleine Änderung vornehmen will.

Die große Herausforderung besteht für die linken Bewegungen darin, dass vor diesem Hintergrund die Sicherung von Arbeitsplätzen mit der Schaffung von Bedingungen für ein Umsteuern des Wirtschaftens auch unter ökosozialen Gesichtspunkten zu schaffen. Unter strategischem Gesichtspunkt ginge es um die Stärkung bzw. Entwicklung von Formen solidarischen Wirtschaftens, die gleichzeitig die Sicherung von Beschäftigung, den Umbau der Wirtschaftsstrukturen und den Zugang zu eines ökologischen und sozialen Umbaus zum Inhalt haben. Es geht um eine Beschäftigungspolitik in Zeiten der Krise zwischen Bewahren und Strukturumbau, wie dies Heinz Bierbaum auf einer Tagung von Wissentransfer im April 2009 ausdrückte.
Die beschäftigungspolitische Dimension der Krise ist nur schrittweise anerkannt worden. Natürlich richtet sich der Protest von Beginn an gegen drohende Arbeitslosigkeit. Aber das war im 2. Halbjahr 2008 eben eine abstrakte Bedrohung, mit entsprechend abstraktem Protest. Das Sondergutachten der AG Alternative Wirtschaftspolitik vom November 2008 verweist auf die beschäftigungspolitischen Hintergründe der Krise (S.4), entwickelt aber keine konkreten Forderungen. Im Memorandum 2009 (April 2009) widmet sich dann ein Abschnitt dieser Frage, wobei berechtigt die Arbeitszeitverkürzung hervorgehoben wird, letztlich aber die Rückkopplung zu einer strategischen Krisenlösungsstrategie jenseits der Verteilungsfrage nicht sichtbar ist. Auch das Konjunkturprogramm des DGB vom 12.12.08 weist keine greifbare beschäftigungspolitische Aussage auf. Im März 2009 tritt die IG Metall mit ihrer Initiative „Aktiv aus der Krise – Gemeinsam für ein GUTES LEBEN – Aktionsplan der IG Metall“ an die Öffentlichkeit. Die Linksfraktion fordert im März 2009 eine „industriepolitische Kehrtwende“ und einen „Zukunftsfonds für Industrieinnovation und Beschäftigungssicherung“. (Drs. 16/12294) Am 20. April stellte die Gewerkschaft ver.di ihr Konjunjukturpaket III vor.
Es geht nicht darum, dass die hier erhobenen Forderungen nach Sicherung von Arbeitsplätzen falsch wären. Es geht vielmehr darum, dass die Einheit von Arbeitsplatzsicherung und dem so oder so nötigen Umbau der Wirtschaft relativ wage bleibt. Egal welche Regierung besteht und welche Eigentumsstrukturen sich durchsetzen mögen – aus einer Wirtschaftskrise kommt man nur heraus, indem Überkapazitäten abgebaut werden und neue Bereiche ausgebaut werden. Krise bedeutet so Umbruch im Beschäftigungssystem insgesamt. Das Problem besteht so nicht nur in der wachsenden Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse, sondern auch in den entstandenen beschäftigungspolitischen Institutionen, die nicht auf eine Bewältigung dieser Situation eingestellt sind. Der Umbau der bundesdeutschen Beschäftigungspolitik zu einer tatsächlich engen und repressiven Arbeitsmarktpolitik erfolgte unter ideologisch und politisch anderen Vorzeichen.
Das in den linken Bewegungen dieser Zusammenhang nur zaghaft diskutiert wird, hat längerfristig wirkende Ursachen. Vor dem Hintergrund der Hartz-IV-Regelungen und ihrer berechtigten Kritik sind andere Aspekte von Beschäftigungspolitik in den letzten Jahren in den Hintergrund gedrängt worden. Generell wird zwar die Fundierung neoliberaler Politik in der Agenda 2010 als Krisenursache benannt, aber die Wirkungen der anderen Hartz-Gesetze nicht mehr beleuchtet. Der generelle Schwenk in der Beschäftigungspolitik, insbesondere ihre Herauslösung aus jeglichem Bezug zu aktiver Wirtschaftspolitik wird sich m.E. als ein wesentliches Hindernis für eine an den Interessen breiterer Teile der Lohnabhängigen orientierten Anti-Krisen-Politik erweisen. Die Fixierung auf Kurzarbeitergeld und die Appelle, die Zeit der Kurzarbeit für Weiterbildung zu nutzen, dürfte der Dimension des Problems nicht gerecht werden – das wird heute von vielen mit Blick auf die im 2. Halbjahr 2009 befürchteten Entlassungen offensichtlich auch so gesehen. Gleichzeitig ist es den Herrschenden gelungen, Beschäftigte in den ARGEN usw. und die Leistungsberechtigten gegeneinander auszuspielen. „Die Ämter“ werden in der aktiven Szene aus nachvollziehbaren Gründen eher als Feindbild thematisiert, denn als mögliche Partner. Die in Teilen der Bewegungen vertretenen Auffassungen zu einem Grundeinkommen als staatlicher Leistung verdrängen tendenziell die Diskussion um eine „andere“ Arbeitslosenversicherung und um eine aktive Beschäftigungspolitik. Die Arbeitsmarktreformen haben so, bei aller ihrer Widersprüchlichkeit, die Segmentierung auch unter den Erwerbslosen und erst Recht die zwischen Beschäftigten und Erwerbslosen scheinbar verstärkt. Das wäre ein fundamentaler Erfolg des Neoliberalismus.
Für die Diskussion der beschäftigungspolitischen wären also verschiedene Ebenen wichtig.

Ein erster Block umfasst Aspekte, die in den vorliegenden Konzepten schwerpunktmäßig behandelt werden

  • – Sicherheit der Arbeitsverhältnisse (einschl. Fragen des Arbeitsrechtes und der Arbeitszeitverkürzung)
  • – Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit
  • – Schaffung von Arbeitsplätzen in Bereichen, die durch den neoliberalen Umbau ausgedünnt wurden.
  • Ein zweiter Block müsste sich mit der Frage der Verbindung von Wirtschafts- (nicht nur Industrie-)Politik und Beschäftigungspolitik im Sinne eines Konversionsansatzes befassen.

  • – Wo, in welchen Bereichen sind durch gesellschaftliche Intervention Arbeitsplätze abzubauen und solche neuer Qualität wieder aufzubauen?
  • – Was heißt Beschäftigungssicherung unter den Bedingungen einer globalen Arbeitsteilung, wie ist dabei der Stellenwert von Kommunen und Regionen einzuschätzen?
  • – Welchen Beitrag kann die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen unter welchen Bedingungen leisten?
  • – Wie kann gewährleistet werden, dass Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die auf nachhaltiges Wirtschaften und entsprechende Produkte ausgerichtet sind, gesellschaftliches Gemeingut und damit auch arbeitsplatzwirksam werden?
  • Arbeitslosigkeit 1980-2007 alosbrd
    Die Veränderung des Charakters der Arbeitslosigkeit in den späten siebziger und in den achtziger Jahren hängt nicht zuletzt mit der Art und Weise, wie moderne Technologien eingesetzt wurden, zusammen. Diese langfristigen Entwicklungen müssen bei der Konzipierung von Beschäftigungspolitik jetzt, im Moment der Krise mit prägend sein. (siehe Grafiken, Daten auf der Grundlage der lfd. Statistiken der BA und des Statistischen Bundesamtes) Eine von gesellschaftlichen Interessen mitbestimmte Forschungs- und Investitionspolitik ist vor diesem Hintergrund das Mindestmaß. Es ist davon auszugehen, dass die Krise durch die wesentlichen Konzerne genutzt wird, um das Wissen für einen sozialökologischen Umbau der Gesellschaft zu monopolisieren. Mit den Konzepten eines Green New Deal (die bundesdeutschen Grünen bieten mit ihren Vorstellungen nur eine Variante vergleiche die Auffassungen der Green New Deal Group www.greennewdealgroup.org/) sind Vorstellungen gesetzt, die meist und in erster Linie auf eine Rekonstruktion kapitalistischer Macht- und Marktverhältnisse orientiert sind. Auch sie umschiffen diese zentrale Frage des Umgang mit wegfallenden Arbeitsplätzen und dem neu entstehenden Wissen. Die IG-Metall-Kampagne „Gemeinsam für ein Gutes Leben“ könnte in wichtiger Anschluss zwischen nachhaltigem Wandel und Beschäftigungspolitik sein (siehe dazu auch aus einer anderen Perspektive die Green-Jobs-Initiative)

    Ein dritter Block würde die Diskussion um die entsprechenden Institutionen einschließen müssen. Das betrifft an erster Stelle die Zukunft des institutionellen Rahmen der geltenden Gesetze. Natürlich geht es jetzt erst einmal darum, auch hier mit partiellen Reformen zu agieren. Meines Erachtens ist aber die Erneuerung der Arbeitslosenversicherung als selbstverwalteter Einrichtung grundsätzlich auf die Tagesordnung zu setzen und von da aus die Funktionsweise der Bundesagentur und der weiteren Strukturen zu bestimmen, wobei eine durchgreifende Demokratisierung zentral ist. Als unmittelbare Reaktion auf die Krise sollten die Erfahrungen mit Beschäftigungsgesellschaften und anderen Konversionsprojekten, wie sie in den achtziger Jahren in der BRD und in den frühen neunziger Jahren in den ostdeutschen Bundesländern teils „von oben“ teils aus den Belegschaften entwickelt wurden, wieder aufgegriffen werden. Es wäre an der Zeit, die Idee eines Öffentlich Geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) aus ihrer derzeit auf Nachsorge orientierten Richtung wieder zu lösen und auf eine aktiv neue wirtschaftliche und soziale Strukturen unterstützende Maßnahmen auszurichten. Hier würden sich auch viele Verbindungen zum Konzept eines sozialökologischen Umbaus ergeben, der als Alternative zu dem mit dem Green New Deal betrachtet werden kann. Es ginge dann in diesem Kontext auch um eine neue Prüfung der Potenziale von Projekten Solidarischer Ökonomie u.ä.
    Dazu gehört auch die Frage, inwieweit die linken bzw. sozialen Bewegungen eigentlich in der Lage sind, die gemeinsamen Interessen aller Lohnabhängigen (einschl. der prekären Selbstständigen) wirklich zu bündeln. Das ist keine marginale Frage, sondern steht gleichberechtigt neben allen anderen Punkten.

    One Response to “Arbeit, Arbeitsplätze und Krise”

    1. Eine Ergänzung. Gerade berichtet hib von einem Antrag der FDP (Drs. 16/12887) in dem es unter anderem heißt: “Um auch in unsicheren Zeiten Neueinstellungen zu erleichtern und zugleich positive konjunkturelle Entwicklungen rascher am Arbeitsmarkt ankommen zu lassen, ist es notwendig, das Arbeitsrecht zu flexibilisieren und beschäftigungs- und mittelstandsfreundlicher auszugestalten.”
      (dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/128/1612887.pdf)

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