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Braucht DIE LINKE die Wissenschaft?

Intim werden! Mit Geschichte und Wissenschaft. [1]

Intim werden! Mit Geschichte und Wissenschaft. via [2]

Kürzlich weilte ich in einem außerparteilichem Gesprächskreis Linksdenkender, die regelmäßig und ernsthaft Problemthemen aus Deutschland, Europa und der Welt mit anspruchsvoller Tiefe diskutieren, mit Erkenntnisnutzen für alle. Im Zusammenhang mit der Frage, wie die Partei DIE LINKE ihren parlamentarischen Einfluß vergrößern könne, entwickelte ich den Gedanken, daß bei unverzichtbarer Akzeptanz und dem Gebot – sozusagen als gesellschaftliche Katalysatoren – außerparlamentarischer Aktionen (wie Mahnwachen, Demo’s, Plakataktionen, Unterschriftenaktionen, Streiks bis zum Generalstreik) den Sozialwissenschaften und darin eingeschlossen der Transformationstheorie als dauerhaftem Wegweiser eine äußerst wichtige Rolle zukomme.

Meine Bemerkungen waren ein knapper, sicher nicht alle Facetten abdeckender, Diskussionsbeitrag, wie es in einem solchen Rahmen üblich ist. Die Reaktion der Mehrheit war ein bedenkliches Aufstöhnen: die Wissenschaft, die Wissenschaftler! Von denen könne man doch nichts praktisches erwarten, vor allem muß mit handfesten politischen Aktionen agiert werden. Als ich in meiner kurzen Erwiderung bemerkte, daß fehlende wissenschaftliche Untersetzung der politischen Arbeit oft zu schmerzlichen und entscheidenden Niederlagen und Rückschlägen führt, gab es allerdings auch einige Zustimmung. Eine entscheidende Niederlage in der Geschichte war die des Realsozialismus, der ununterbrochen, fast gebetsmühlenartig die Rolle von Wissenschaft und Technik betonte, aber besonders dessen gesellschaftswissenschaftliche Disziplinen trotz der starken Bezogenheit auf Marx und Engels nicht mit der Entwicklung der Geschichte Schritt gehalten haben. Nützliche Wissenschaft muß also mit Streit und einem festen Qualitätsanspruch verbunden sein. Undialektische Betrachtungsweisen hatten den notwendigen Realismus in der Gesellschaftsanalyse im hohen Maße verdrängt, was vor allem den dogmatischen und einengenden Vorgaben des Politbüros der SED geschuldet war.

Also braucht DIE LINKE die Wissenschaft – oder nicht?

Natürlich ja, kein gesellschaftlicher Wandel ohne Wissenschaft, erst recht wenn die Transformation als „Umbruch- und Übergangsprozeß“ verstanden wird, der zu einem „gesellschaftlichen Pfadwechsel“ führt. Wissenschaft ist z.B. unabdingbar, um eine kritische Sachlage in Gesellschaft und Natur und die äußeren Bedingungen für die Inangriffnahme von Wandlungen und Pfadwechseln zu analysieren, d. h. das Problem selbst und die subjektive Bereitschaft der Menschen, an diesem Problem etwas zu ändern. Wissenschaft ist auch notwendig, um die geeignete Struktur der als Antwort beabsichtigten Maßnahmen herauszufinden. Sowohl von der Sache her gesehen als auch aus Sicht des sich regelmäßig entfachenden politischen Streits darüber kann die Kompliziertheit der jeweiligen Situation eher nur unter- als überschätzt werden. Das sei auch linken Skeptikern vermittelt, die meinen, daß Wandel und Transformation nur etwas für politische Dünnbrettbohrer sei und ordentliche Revolutionäre etwas für richtig erkanntes dann schon schwungvoll auf den Weg bringen.

 

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