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Schon die Überschrift signalisiert, dass es hier nicht um offizielle EU-Politik geht. Im Gegenteil: es wird von besonderen Subalternen die Rede sein; genauer von jenen Linken, die in den letzten beiden Wochen in der EU-Metropole europäische Netzwerke qualifizierten und erweiterten bzw. neue schufen. So nahm heute ein internationales Network zur Bewertung und politischen Auseinandersetzung mit öffentlichen Schulden die Arbeit auf. Nach einem “zündenden” und verständlichen Namen wird noch gesucht. Die Geschichte des Zusammenschlusses ist wirklich “spannend”: Vor einem Jahr begannen BewegungsaktivistInnen in Griechenland, dem Beispiel von FreundInnen in Ecuador zu  folgen. Dort hatte die an die Regierung gewählte Linke die übernommenen Schulden evaluiert und 80% als illegitim bewertet. Für die verbleibenden 20% war sie bereit, einzustehen. Das verschlug den global Mächtigen damals die Sprache.

Den lernenden Griechinnen und Griechen folgten im Verlaufe einiger Monate Aktive aus elf Ländern – aus acht EU-Mitgliedern (Irland, Portugal, Spanien, Italien, Deutschland, Polen, Frankreich,  Belgien), aus Tunesien und Ägypten. Hinzu kommen eine bereits seit Jahren bestehende europäische Gruppe und ein französisch-tunesisches Netzwerk. Die französischen Gäste konnten bereits auf 120 lokale Gruppen zum Schuldenaudit und landesweite Beratung verweisen. Die Belgier/innen um Eric Toussaint unterstrichen mehrfach die globale Dimension der Schuldenproblematik und thematisierten die ökologischen Schulden. Sie haben sich in der Vergangenheit schon in Kampagnen zur Schuldenstreichung für global arme Länder hervorgetan und ein Handbuch für Schuldenaudits in Entwicklungsländern verfassen helfen (“Let’s Launch an Enqiry into the Debt! A Manual on How to Organise Audits on Third World Debts”). In Frankreich und Belgien wird nun ein Referendum über ein Schulden- und Zinszahlungsmoratorium diskutiert.

Europäisch bereitet man sich zunächst auf ein kleineres Treffen zu den drei “tollen Tagen” von Frankfurt am Main vor (17.-19.5.2012), wo von sozialen Bewegungen, Gewerkschafter/innen und LINKEr gegen den Fiskalpakt, die Austeritätspolitik und insgesamt gegen eine destruktive EU-Politik mobilisiert wird, die insbesondere durch die EZB repräsentiert wird. Auf dem Treffen soll zu einem europaweiten Aktionstag gegen die Austeritätspolitik – für Solidarität mit ihren Opfern  und demokratischen Gegner/innen um den 15.10. aufgerufen werden.

Dass die Schuldenproblematik Demokratinnen und Demokraten herausfordern muss, wurde mehrfach begründet; auch dass sie gut geeignet sein kann, um lokale, Landes-, europäische und globale Probleme in einen Kontext zu stellen, um soziale und ökologische Dimensionen gemeinsam zu reflektieren und mit spektren- und ressortübergreifenden Bündnissen politisch zu beantworten  (siehe auch bei mehring1). Mehr noch: die Delegation aus Tunesien will das beim Weltsozialforum 2013 deutlich erfahrbar machen. Seitens der EuropäerInnen bezog man sich positiv auf die Joint Social Conference (JSC) und den Alternative Summit in der vergangenen Woche. Wegen denen wurde das eigene Treffen verschoben – man will schließlich kooperieren statt konkurrieren.

Auf der Joint Social Conference, die auf das beim Europäischen Sozialforum (ESF) in Malmö 2008 gegründete Netzwerk “Labour and Globalisation” zurückgeht, gab es bereits einen Workshop zur Schuldenproblematik. In der Abschlusserklärung mit dem vielsagenden Titel “Der Finanzdiktatur Widerstand entgegen setzen – Demokratie erkämpfen” wurde nicht nur zur heutigen Tagung eingeladen, sondern zur Teilnahme an Kampagnen zum Schuldenaudit aufgerufen. Unter der Zwischenüberschrift “Was tun? Unsere Alternativen” wurde zu allererst die Frage nach den illegitimen Schulden und ihre Nicht-Anerkennung aufgeworfen.

Die Conference hat gezeigt, wie “man” langfristig, offen und demokratisch europäische Treffen vorbereiten, konzentriert, kulturvoll und mit guter Laune bestreiten kann. Ca. 150 Menschen von etwa 40 Organisationen in über 20  europäischen Ländern durften das erleben. Hier soll besonders die Übereinkunft hervorgehoben werden, dass dringend ein europäischer offener Raum für die kollektive Analyse und Strategiebildung – wie er zuvor mit dem ESF gewollt war – gebraucht wird und dass es neben dem Protest und Widerstand gegen die herrschende Politik um die Arbeit an alternativen sozialen, ökologischen und solidarischen Entwicklungsmodellen gehen sollte.

Als unmittelbar anstehende Aktivitäten wurden auf der JSC vereinbart:
– die Europäische Bürgerinitiative für das Recht auf Wasser in notwendiger Qualität und Quantität
– die Tagung von TNI und dem Netzwerk zur Beobachtung von Konzernen am 5. und 6. Mai in Brüssel
– die Aktionen vom 17.-19.5. in Frankfurt am Main
– das Subversive Forum vom 13.-19. Mai in Zagreb
– der Global Action Day gegen grünen Neoliberalismus am 20. Juni – im Kontext mit dem Peoples Summit – anlässlich der UN Konferenz Rio+20
– ein europäisches Meeting in Athen im September
– das europäische Project Florenz 10+10 im November, anläßlich des 10. Jahrestages des 1. ESF.

Es gibt also nicht nur genug zu tun, sondern endlich (wieder) Bewegung unter den Linken in Europa.

One Response to “Erquickliches aus Brüssel”

  1. […] das umfangreiche Positionspapier der Joint Social Conference vom März war bereits Ergebnis eines längeren Arbeitsprozesses, an dem die europäischen Netzwerke, Produkte des Europäischen Sozialforumsprozesses, wesentlich […]

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