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Das Auswärtige Amt hat eine „Strategie zur Europa-Kommunikation“ erarbeitet und am 29. Februar der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie soll das „Vertrauen in Europa stärken und den Menschen den Wert Europas neu bewusst machen“.  Auf zwölf Seiten Papier werden drei Schwerpunkte umkreist: „1. Das Werben um Vertrauen in Deutschland unter europäischen Nachbarn, 2. Das Erklären Europas in der Welt, 3. Das Werben für eine europafreundliche Grundeinstellung in Deutschland“. Das „Konzept für die Europa-Kommunikation 2012“ hat es in sich, denn es spiegelt Dialektik von deutschem und EU-Kapital bzw. von Interessen der deutschen und EU–Kapitaleliten unter den Bedingungen konkreter europäischer Integration und neoliberal geprägter Globalisierung.

Das Amt spricht von einer gegenwärtigen „Prägephase Europas“: „Das Deutschlandbild in Europa, das Europabild in Deutschland und das Europabild in der Welt werden in diesen Monaten auf Jahre hinaus geprägt.“ Die Kommunikationsstrategie ihrerseits wird von zwei Gedanken geprägt: „Wir wollen den Wert Europas neu vermitteln – als Wertegemeinschaft, als Garant unseres Wohlstands, und als unsere Chance, unsere Werte und Interessen in der Welt von morgen gestaltend zur Geltung zu bringen.“

Die EU soll also insbesondere den Interessen der deutschen Kapitalfraktionen dienen. Die sind widersprüchlich, auch und insbesondere wegen widersprüchlich verlaufender europäischer Integration. Widersprüche unter den Kapitalfraktionen zeigen sich insbesondere in der Frage, wie die Interessen anderer gesehen und bewertet werden sollen.

Die Anlage 1 mit ihren „Vier Thesen zum Zukunftsprojekt Europas“ enthält eine besonders inhaltsschwere Aussage: „Die großen Veränderungen und Herausforderungen unserer Zeit können wir nur bewältigen, indem wir Europa zu einer globalen Gestaltungskraft entwickeln. So können wir unsere Wertegemeinschaft bewahren, als Wirtschaftsmacht unsere Interessen behaupten und zur künftigen Ordnung der Welt einen europäischen Beitrag leisten.“

Würden die „großen Herausforderungen“ in einem Beitrag zur gerechten und nachhaltigen Lösung globaler Probleme gesehen, um jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Würde, solidarischem Miteinander und intakter Natur zu ermöglichen, wäre nichts dagegen einzuwenden. Aber es geht ja um die Interessen der Führenden, die „unsere Werte“ realisieren und daher unseren Alltag bestimmen und die Wirtschaftsmacht Europa zum Vorteil Deutschlands stärken wollen.

„Der Binnenmarkt ist unverzichtbarer Katalysator für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Für Deutschland gilt das in besonderem Maß. Sechzig Prozent unserer Ausfuhren gehen in Länder der Europäischen Union. Sieben unserer zehn größten Märkte liegen in der europäischen Nachbarschaft.“

Die Kapitalfraktionen und auch die Bevölkerungen in allen EU-Mitgliedsländern und in der EU insgesamt sollten mehrheitlich  ein Interesse am Erhalt und an der Stärkung der EU haben – aus Gründen ihres Alltags und damit ihrer „Sicherheit“ und ihres Wohlstandes. Sie sollten eine zuverlässige „Wirtschaftsmacht EU“ wollen. Das gilt erst recht und in hohem Maße für die Kapitalfraktionen und die Bevölkerung in Deutschland, die in der EU von besonderer Relevanz sind.

Und so lesen wir: „Gerade in der Krise ist die gemeinsame Währung im deutschen Interesse; die D-Mark stünde heute unter hohem Aufwertungsdruck. Gelingt es uns, den Euro als weltweite Reservewährung zu festigen, bringt uns das gewaltige Wettbewerbsvorteile. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir die Schuldenkrise überwinden.“

Die „Überwindung der Schuldenkrise“ hat nur eine vorranginge Funktion, die zugleich die zweifelhaften Methoden zur „Schuldenbekämpfung“ erklärt: Konkurrenzverhältnisse anzupeitschen; globale EU-Konkurrenzfähigkeit zu steigern, was vor allem der Konkurrenzfähigkeit deutschen und deutsch dominierten Kapitals zu Gute kommt; die Gesellschaft so zu transformieren, dass der globale Akteur mit seiner Konkurrenzfähigkeit den aus seiner Sicht „globalen Herausforderungen“ entsprechen kann. Diese Sicht, die Methoden der Zielrealisierung und die Aneignung der Früchte werden relevant von deutschen Kapitalfraktionen bestimmt. So heißt es denn zu einem EU-Untergangs-Szenario: „Kein Mitgliedstaat hätte mehr zu verlieren als Deutschland … Im geeinten Europa … gedeiht unser Land.“ Schließlich sehen die Strategen im Auswärtigen Amt: „Schon 2025 wird Deutschland weniger als ein Prozent der Weltbevölkerung stellen. Das wird nicht ausreichen, um uns global Gehör zu verschaffen. Würden wir Europa den Rücken kehren, käme das einer Kapitulation vor den globalen Herausforderungen unserer Zeit gleich.“ Und zur Auseinandersetzung mit der Finanz-, Euro- und Wirtschaftskrise sagen sie: „die finanziellen, politischen und menschlichen Kosten von Nicht-Europa wären erdrückend. Sie stünden in keinem Verhältnis zu den Anstrengungen, die uns Europa in der Krise abverlangt.“ Zu diesen “Anstrengungen” gehört dann zweifelhafte “Solidarität” mit von “der Euro-Krise” besonders betroffenen Ländern.

Deshalb hat das Auswärtige Amt einen „‘Lenkungsausschuss Europa-Kommunikation‘ eingerichtet. Dieser unterstützt den Bundesminister des Auswärtigen und den für Europa-Fragen zuständigen Staatsminister. Er formuliert Kernbotschaften und Themenschwerpunkte der Europa-Kommunikation. Auf dieser Grundlage sollen Europa- und Kommunikationsabteilung zusammen mit den Auslandsvertretungen in der Europäischen Union und darüber hinaus ihre Aktivitäten im Rahmen von maßgeschneiderten Länderstrategien bündeln.“ Der Außenminister soll zu jenen Regierenden reisen, die „Distanz zur deutschen Europapolitik formulieren“ und zu Regierungen, „die für uns als europapolitische Partner besonders wichtig sind.“ Die Botschaften sollen im Sinne der Kommunikationsstrategie geschult werden. Im Juni gibt es im Auswärtigen Amt eine große Konferenz mit dem Titel „Der Wert Europas“.

Der Autorin geht es nicht um Aktionismus und dem Ruf: Jetzt müssen die Linken in Deutschland und insbesondere DIE LINKEN. eine GegenKOMMUNIKATIONsstrategie entwickeln. Das Anliegen ist ein anderes: Es ist a) die erneute Orientierung auf Analyse von Interessen und Prozessen im Zusammenspiel von Kapitalakkumulation in Deutschland und in der EU; b) die erneute Orientierung auf die kollektive Arbeit am eigenständigen Europa- und EU-Projekt der Linken in Europa, wofür die Linken in Deutschland besondere Verantwortung tragen (weshalb Aussagen zu notwendigen Lohnerhöhungen und zur Steigerung der Massenkaufkraft sowie so zur innerdeutschen Umverteilung und „linkssozialdemokratische Positionen“ nun einmal nicht ausreichen). Dieses Projekt muss von zugleich von sozialen, ökologischen und globalen Problemen ausgehen. Wie dringlich das ist, hat Yannis Milios kürzlich in den Räumen der RLS unterstrichen, denn linke Wahlsiege sind in Griechenland nicht unwahrscheinlich. Und was dann? Vorrangig Mindestlohn-Forderungen in Deutschland artikulieren? – sicher reicht das nicht!

2 Responses to “Das Auswärtige Amt will “Europa” kommunizieren”

  1. […] relativiertem Gewicht deutscher Kapitaleliten bzw. deutschen/deutschdominierten Kapitals. (siehe dazu auch in mehring1) Die sozialen und globalen Spaltungen wachsen und damit auch Spannungen, die wiederum mit sozialen […]

  2. Dirk-P sagt:

    Bitte teilt den Aufklärungslink gegen den ESM-Vertrag mit euren Freunden, Bekannten auf Facebook (an die Pinnwand des Freundes posten), per Mail und so weiter – die Zeit wird knapp, umso mehr sich darüber informieren, um was es sich bei diesem diktatorischen Ding handelt, umso besser!

    Hier der Link zu dem Video auf YouTube

    www.youtube.com/watch?v=d6JKlbbvcu0

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