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“Spannendes 2012”?

Am 3.1.2012 meldete boersennews mit Verweis auf dpa: „Die Einlagen der Geschäftsbanken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sind über Nacht … fast auf ein Rekordhoch gestiegen … Damit liegen die Einlagen nur noch knapp unter dem Rekordhoch von 452 Milliarden Euro, das am 28. Dezember 2011 erreicht wurde.
Die eintägigen Ausleihungen der Geschäftsbanken bei der EZB hielten sich am Dienstag den Angaben zufolge nahezu unverändert bei 14,8 Milliarden Euro … Die eintägigen Ausleihungen und Einlagen der Banken bei der EZB sind ein Gradmesser für das Misstrauen der Institute untereinander … Wegen der europäischen Schuldenkrise und des starken Engagements der Banken in Staatsanleihen funktioniert der direkte Geldhandel zwischen den Instituten … nicht wie gewohnt – die EZB muss einspringen. Darüber hinaus haben sich  die Geschäftsbanken vergangene Woche bei der EZB mit der Rekordsumme von fast 500 Milliarden Euro für drei Jahre eingedeckt. Einen Teil dieser Mittel parken die Institute bei der Notenbank.“

Die Linken brauchen sich also kein „spannendes 2012“ zu wünschen: ihre Gegner, insbesondere die Bankkonzerne, sorgen für „Spannung“.

„Spannendes“ steht auch im ersten Entwurf für den vom jüngsten EU-Gipfel vereinbarten „völkerrechtlichen Vertrag über eine verstärkte Wirtschaftsunion“. So heißt es z. B. im Artikel 9, dass sich die Vertragsparteien verpflichten, „gemeinsam auf eine Wirtschaftspolitik hinzuarbeiten, die das Wachstum durch eine Stärkung der Konvergenz und der Wettbewerbsfähigkeit fördert und das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion verbessert. Zu diesem Zweck treffen sie alle erforderlichen Maßnahmen, auch im Wege des Euro-Plus-Pakts.“

Würden die Linken das Mainstream-Verständnis von Wirtschaftspolitik akzeptieren, blieben jenen keine Handlungsmöglichkeiten, die sozialistische Wirtschaftspolitik betreiben wollen. Letztere müssen also ein eigenes Verständnis von Wirtschaftspolitik und Wirtschaftskompetenz entwickeln und kommunizieren (siehe dazu unseren Beitrag vom 4.12.2011). Wie schwierig und wichtig das ist, zeigt u. a. das Interview der “Sächsischen Zeitung” mit Oskar Lafontaine vom letzten Sonnabend. Dort sagt Lafontaine: „Das Euro-System ist falsch konstruiert. Man kann nicht ein gemeinsames Geld, eine gemeinsame Währung haben ohne eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.“

Der Punkt ist nicht, dass man das eben doch über Jahre hinweg konnte; der Punkt ist auch nicht, dass das selbst Helmut Kohl vor dem Maastrichter Vertrag meinte, sondern dass das nichts zur Qualität der gemeinsamen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sagt. Selbst die dann folgende „zwingende Koordinierung der Lohnpolitik“ sagt nicht, wie das „Euro-System“ durch wen konstruiert sein müsse, wenn sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung in der EU und dank EU gewollt wird.

Nachdenklich stimmen die Aussagen: „Ich bin für den Fortschritt der europäischen Einigung, daher muss der Euro gerettet werden. Es gibt einen Königsweg. Die Europäische Zentralbank muss direkt Kredite an die Staaten vergeben mit strengen Auflagen. Mit dieser direkten Kreditvergabe der Europäischen Zentralbank an die Eurostaaten wären mit einem Knopfdruck der ganze Finanzmarkt und die ganzen Ratingagenturen lahmgelegt.“

Dass Lafontaine bedeutsam ist, wird hier nicht bezweifelt, (allerdings der Zusammenhang zwischen seinem Denken und der notwendigen Euro-Rettung.) Nun gut, das ist Witzelei. Keine Witzelei ist die Kritik am „Königsweg“, denn wer sollte warum mit welchem Interesse und zu welchen Bedingungen König sein? Wenn das Volk den König ersetzt, wird es keinen Königsweg geben …

Und was sind die „strengen Auflagen“ für die Kreditvergabe durch die EZB? Die nachhaltige Bekämpfung von sozialer und ökologischer Zerstörung?

Es geht nicht um das eine oder andere Wort in einem kurzen Interview, sondern um das Setzen auf ein Handeln von oben, dass entweder ausbleibt oder autoritär ist. So werden Menschen nicht ermutigt und mobilisiert, sich für Demokratisierung einzusetzen. Wie aber sollen die sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme nachhaltig gelöst werden, wenn nicht vor allem demokratisiert wird? Das gilt insbesondere für die öffentlichen Finanzen und damit für die Institution EZB.

Die Frage der Demokratisierung steht nur marginal für jene Grüne und SPD-Teile, die neben Veränderungen der EZB-Funktion einen Schuldentilgungsfonds (den auch der Sachverständigenrat vorschlägt) und Eurofonds fordern. Wie aber soll ohne konseqente Demokratisierungs-Strategie erwirkt werden, dass die einzelnen Maßnahmen Schritte hin zu sozial und ökologisch nachhaltiger Entwicklung werden?

Das Ringen um Demokratisierung ist aufklärerisch und wirklich „spannend“. In diesem Sinne können sich die Linken ein „spannendes neues Jahr“ wünschen. Dass der erste Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung des Jahres 2012 den Linken ähnlich „gute Vorsätze“ rät, lässt hoffen.

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