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heißt es selbstbewusst in einer Erklärung von sozialen Bewegungen, die kürzlich in Mali Aktionen für Ernährungssicherheit, gegen Landgrabbing beraten und vereinbart haben. Die Linken in Deutschland und in der EU sollten nicht zur in Worten mit ihnen solidarisch sein, sondern gemeinsam mit ihnen  politisch wirksamer werden. Für die Arbeit an den entsprechenden Strategien ist es wichtig, sich intensiv mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission „Agenda for Change“ auseinanderzusetzen.  Die im Oktober in Brüssel vorgestellte Mittelung soll dazu beitragen, die Strategie EU2020 zu realisieren. Dies sagt bereits, dass Entwicklungspolitik den eigenen Interessen untergeordnet werden bzw. bleiben soll. Diese Strategie zielt auf globale Konkurrenzfähigkeit der EU, ihrer Mitglieder und Unternehmen. Daran ändert das erklärte Anliegen, die Entwicklungsländer bei der Armutsbekämpfung „noch solidarischer unterstützen“ zu wollen (S. 3) nichts. Allerdings meint man aus den

Protestbewegungen und Volksaufständen in Nordafrika und im Nahen Osten gelernt zu haben: Erstens, dass die Ziele Entwicklung, Demokratie, Menschenrechte, verantwortungsvolle Staatsführung und Sicherheit untrennbar miteinander verbunden sind, und zweitens, dass jede Gesellschaft den jungen Menschen eine Zukunft bieten muss.“ (S. 3)

Damit ist insbesondere ein Ausbalancieren von Interessen gemeint, das stabile Öl- und andere Ressourcenflüsse in die EU sichert und die Europäische Union vor globalen politischen Erschütterungen schützt. Das muss man wissen, um zu verstehen, was gemeint ist mit der Aussage:

In Zeiten von Wirtschaftsturbulenzen und Haushaltsengpässen muss ganz besonders darauf geachtet werden, Entwicklungshilfegelder effizient einzusetzen, bestmögliche Ergebnisse zu erzielen und weitere Mittel für die Entwicklungsförderung zu mobilisieren.“ (S. 4)

Im der Kommissionsmitteilung vorbereitenden Grünbuch, das mehring Ende 2010 vorgestellt hatte, wurde noch wesentlich stärker ausgehend von den Interessen der global Schwachen gedacht und konzipiert.

Die schönen Worte, die sich über mehrere Seiten der Kommissionsmitteilung hinweg ergießen, muten angesichts der tatsächlichen „Entwicklungshilfe“, der Wirtschaftspartnerschaften (EPAs), der Freihandels- und Investitionsabkommen als fromme Wünsche an. Dazu war kürzlich in mehring zu lesen.  Aber die neokolonialen EU-Handelshilfen, die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und die „sonstigen Freihandelsabkommen mit Entwicklungsregionen“ werden als positiver Rahmen für EU-Entwicklungspolitik gepriesen (S. 10).

Wenn dann Wirtschaftswachstum als vorrangiger Weg zur Armutsbekämpfung propagiert und deshalb auf ein „gutes Geschäftsumfeld“ orientiert wird, ist Armutsbekämpfung nicht recht ernst gemeint. Und so wird Hilfe der EU für ein „gutes Geschäftsumfeld“  erklärt als Förderung der Privatwirtschaft durch den

Aufbau der Kapazitäten örtlicher Einrichtungen und Unternehmen, die Förderung von KMU und Genossenschaften, die Unterstützung von Reformen des Gesetzes- und Regelungsrahmens und deren Umsetzung …, die Erleichterung des Zugangs zu Wirtschafts- und Finanzdiensten und die Förderung von Agrar-, Industrie- und Innovationspolitik. Dies wird die Entwicklungsländer, und vor allem die ärmsten unter ihnen, in die Lage versetzen, die Chancen global integrierter Märkte zu nutzen. Diese Bemühungen müssen durch eine bessere und gezieltere Handelshilfe und Handelsliberalisierung flankiert werden.“ (S. 9)

Da haben wir es:  Entwicklung durch Handelsliberalisierung, von der in erster Linie die Gewinner der Globalisierung gewinnen. Und darum geht es, wenn es weiter heißt:

„Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Entwicklungsländer ist neben der Anziehung und Aufrechterhaltung erheblicher privater Investitionen aus dem In- und Ausland auch die Verbesserung der Infrastruktur. Die EU sollte neue Wege für die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft beschreiten, um dafür zu sorgen, dass die Ressourcen der Privatwirtschaft für die Bereitstellung öffentlicher Güter mobilisiert werden. Sie sollte Vorab-Zuschuss- und Risikoteilungsmechanismen erproben, um öffentlich-private Partnerschaften und private Investitionen zu fördern… Gestützt auf den Erfolg etwa der europäischen Investitionsfazilitäten oder des EU-Infrastruktur-Treuhandfonds für Afrika, wird sie Mischfinanzierungsmechanismen weiterentwickeln, damit mehr Mittel zur Förderung der Entwicklung zur Verfügung stehen. In ausgewählte Bereiche und Länder sollte über bestehende oder neue Finanzinstrumente, die Zuschüsse und Darlehen verbinden, oder andere Risikoteilungsmechanismen ein höherer Anteil der EU-Entwicklungsgelder fließen, um durch Hebelwirkung zusätzliche Mittel zu mobilisieren und so eine größere Wirkung zu erzielen.”(S. 9-10).

Unter den Bedingungen der Finanzkrise, der Euro- und Verschuldungskrisen in der EU ist das Motto: 1. Bei der Entwicklungshilfe sparen, 2. sie vor allem im Interesse eigener globaler Konkurrenzfähigkeit betreiben, 3. für die Finanz- und Wirtschaftskrisen in der EU hochgradig Verantwortliche in Entwicklungsländern „machen lassen“ und damit Krisenursachen und –folgen an die Schwächeren zu delegieren, in deren Ländern Krisen zu verstärken und auszulösen.

Zu den eigenen Interessen der  zweifelhaft „Helfenden“ gehört insbesondere die Ressourcenversorgung. Daher ist der Punkt „3.3. Nachhaltige Landwirtschaft und Energie“ von besonderer Wichtigkeit. Er wird wiederum mit schönen Worten und Wünschen eingeleitet. Allerdings kann man höhnisch stutzen bzw. lachen, wenn man liest:

Die EU wird sich weiterhin um eine Stärkung der Ernährungsstandards, eine Verbesserung der politischen Maßnahmen zur Ernährungssicherung und eine Verringerung der Volatilität der Nahrungsmittelpreise auf internationaler Ebene bemühen.“ (S. 10)

Wo und wie bitte engagiert sich die EU dafür, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln, Naturressourcen, landwirtschaftlichen Nutzflächen, Währungen und Staatsschulden auf den internationalen Märkten bekämpft wird? Weitere Bedenken sind angebracht, wenn  es dann beim Energiesektor heißt, dass die EU Technologie, Know-how und Entwicklungsgelder bereitstellen solle und sich

auf folgende drei Hauptherausforderungen konzentrieren: Preisvolatilität und Energiesicherheit; Klimawandel einschließlich des Zugangs zu emissionsarmen Technologien; Zugang zu sicherer, bezahlbarer, umweltverträglicher und nachhaltiger Energie. In beiden Sektoren sollte die EU Kapazitätenaufbau und Technologietransfer unterstützen, unter anderem auch im Rahmen von Strategien zum Klimaschutz und zur Anpassung an denKlimawandel.“ (S. 10-11)

Erstens wird ja offensichtlich nicht ausgehend von den Bedürfnissen und Erfordernissen der Menschen in den Entwicklungsländern und damit von der Notwendigkeit, gemeinsam Technologien zu entwickeln, gedacht; zweitens ist die EU selbst ja kein wirkliches Vorbild für sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung; drittens wird an die viel zu geringen und qualitativ unzulänglichen Hilfen im Allgemeinen, zur Anpassung an den Klimawandel und seine Bekämpfung im Besonderen erinnert. (mehring hat auch dazu vor wenigen Tagen berichtet).

Die Bedenken müssen wachsen, werden „differenzierte Entwicklungspartnerschaften“ gewollt (S. 11). Dafür gelten „zwei Querschnittsziele“, die mit den bisherigen Darlegungen im negativen Sinne konform gehen:

(1) Steigerung des Beitrags der EU-Hilfe zur Förderung und Unterstützung politischer, wirtschaftlicher, sozialer und umweltpolitischer Reformen in den Partnerländern; (2) Steigerung der Hebelwirkung, die die EU-Hilfe auf andere Finanzquellen für Entwicklungshilfe haben könnte, insbesondere private Investitionen.“ (S. 12)

Von diesen Zielen ausgehend soll Handeln in der EU besser koordiniert erfolgen (S. 13) und „Kohärenz zwischen den EU-Politiken“ erhöhen (S. 14).

Zwei weitere Passagen lassen die beiden erklärten Hauptziele der „vorgeschlagenen Agenda für den Wandel“ – „wirkungsvolle Entwicklungspolitik und effiziente Verfahren“  und Unterstützung von „Veränderungen in den Partnerländern“, um Armut zu bekämpfen und die MDG zu realisieren – in wiederum bedenklichem Licht erscheinen:

Die EU muss ihre kohärente Herangehensweise in Bezug auf Sicherheit und Armut stärken und dabei wenn nötig die Rechtsgrundlagen und Verfahren anpassen. Die EU-Initiativen für die Entwicklungs- sowie die Außen- und Sicherheitspolitik sollten miteinander verknüpft werden, um einen kohärenteren Ansatz in Bezug auf Frieden, Staatsaufbau, Armutsbekämpfung und die Beseitigung von Konfliktursachen zu erreichen. Die EU bemüht sich darum, den Übergang von humanitärer und Krisenhilfe zu langfristiger Entwicklungszusammenarbeit reibungslos zu gestalten.
… die EU [sollte] den Entwicklungsländern helfen, ihre Strategien, Kapazitäten und Maßnahmen hinsichtlich Migration und Mobilität zu verbessern, damit aus der wachsenden regionalen und weltweiten Mobilität der Menschen der größtmögliche Nutzen für die Entwicklung gezogen werden kann.“ (S. 14)

Es geht um die Sicherheit der in der EU Herrschenden, in deren Interesse auch und insbesondere Migration reguliert werden soll.

Die Bemerkungen zu den „schönen Worten“ sollen keineswegs bedeuten, dass allen in den EU-Institutionen zur Entwicklungspolitik Arbeitenden ausnahmslos EU-Egoismus unterstellt wird. Nein, die Zusammenarbeit mit den Ehrlichen wird durchaus gesucht. Der Beitrag reflektiert tatsächliche gesellschaftspolitische Kräfteverhältnisse, die Ziele und das Herangehen jener, die führend EU-Strategien entwickeln und realisieren. Das in den Monaten zwischen der Arbeit am erwähnten Grünbuch und dem Erscheinen der Kommissionsmitteilung sich Kräftekonstellation weiterhin zuungunsten der Hilfsbedürftigen verschoben hat, geht wesentlich auf das Konto des Bundesministers Niebel. Er hat die Mitteilung sehr begrüßt.

Die Linken in Deutschland und in der EU sollten also endlich ihre Handlungsmöglichkeiten suchen, nutzen und erweitern, um Entwicklungen im Interesse der global Schwachen zu ermöglichen. Da geht es um konkrete praktische Projekte wie die Unterstützung einer solidarisch wirtschaftenden Genossenschaft in einem armen Land, das öffentliche Beschaffungswesen, gezielte Einflussnahme auf öffentliche Finanzen und vor allem um Kämpfe zur Setzung und Erlangung sozialer, ökologischer und demokratischer Standards – gegenwärtig weiterhin um die Verwirklichung der Millennium Entwicklungsziele.

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