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Bewusstsein, wandle Dich …

Die „Stiftung kulturelle Erneuerung“ mit dem Namen „Denkwerk Zukunft“ hat Anfang August ein Memorandum „Für einen Bewusstseinswandel von der Konsum-  zur Wohlstandskultur“ [1] der Öffentlichkeit vorgestellt. Als Verfasser/in gelten Meinhard Miegel, Stefanie Wahl und Martin Schulte. Sie danken auch Partner/innen der RLS für ihre Mitwirkung.

Das Memorandum stützt sich insbesondere auf das Gutachten 2011 des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für Globale Umweltfragen (WBGU) und folgt auch dessen Logik: auf hohem abstrakten Niveau werden Imperative verkündet, die ausgehend von den Reproduktionserfordernissen der natürlichen Lebensgrundlagen richtig und daher vernünftig sind. Es werden Erwartungen bzw. Forderungen an Akteure formuliert, die auf eben dieser hohen Abstraktionsebene zunächst einmal unterstützenswert sind. Den Verfasser/innen kann nicht einfach vorgeworfen werden, soziale Ungleichheit (völlig) zu übersehen. So heißt es z. B. im Memorandum „Der Kreis materiell Wohlhabender, der sich selbst beschränkt und der Mehrheit eine Vorstellung davon vermittelt, dass Lebenszufriedenheit und sozialer Status auch ohne größeren Mitteleinsatz möglich sind, ist immer noch klein. Gerade in diesen Bevölkerungsgruppen muss deshalb ein Umdenken einsetzen, wenn der erforderliche Bewusstseinswandel ohne revolutionäre Verwerfungen erfolgen soll.“ (S. 25).

Die Wohlhabenden sollen ihren Lebensstil wandeln. Die Wandelung der Gesellschaft, um soziale Ungleichheit – über den materiellen Konsum hinaus – strukturell zu reduzieren (und letztendlich zu überwinden), ist kein Thema. „Die Politik“ im Verständnis der AutorInnen abstrahiert von den unterschiedlichen politischen Akteuren mit ihren unterschiedlichen Interessen: „Hinzu kommt die Bereitschaft der Politik, auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, wenn dies für die Schaffung zukunftsfähiger Wirtschafts- und Lebensformen erforderlich ist.“ (S. 27) Das Bildungswesen und „die Medien“ sollten über „Chancen immateriell geprägter Lebensweisen aufklären“ (S. 31).

Ökologische Zerstörung wird im “Memorandum” nicht als Folge einer Produktionsweise erklärt, die soziale Hierarchien und damit Akteure mit ungleichen und gegensätzlichen Interessen reproduziert. Miegel und Co. wenden sich an ein abstraktes „WIR“, das einerseits richtig einen gesellschaftlichen Konsens widerspiegelt, der sich auf sozial und ökologisch zerstörerische Produktions- und Konsumtionsstrukturen stützt. Anderseits leben „WIR“ aber  in Verhältnissen unter- und zueinander, da die einen den anderen ein selbstbestimmtes Leben in Würde verstellen. „UNSERE“ Produktions- und Konsumtionsstrukturen sind ein Ausdruck davon und wichtigstes Mittel dafür, dass „es so weiter geht“. Sie basieren vor allem auf konkreter Energie-, Transport- und Agrarwirtschaft und auf sehr konkreten „Sicherheitsbereichen“, insbesondere auf dem Militärisch-Industriellen-Komplex unter ganz konkreten Produktionsverhältnissen. Zu ihren wirtschaftlichen Reproduktionsprozessen gehören vor allem der Finanz- und der High-Tech-Bereich.

Im Kontrast dazu Miege [2]l: „In der ersten Regierungserklärung dieser Legislaturperiode steht ein Satz, der in der breiteren Öffentlichkeit viel zu wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Sinngemäß besagt er, dass es sich in diesem Jahrzehnt entscheide, ob wir – und jetzt wörtlich – ‚eine Art des Wirtschaftens finden, die nicht mit den Grundlagen ihres eigenen Erfolgs Raubbau treibt‘. Damit ist das Dilemma, das sich in immer rascher aufeinander folgenden Wirtschafts- und Finanzkrisen manifestiert, trefflich erfasst. Vordergründig geht es bei … wieder und wieder um Banken und Börsen, Geld und Gier. Doch das sind nicht ihre Ursachen. Ihre Ursachen liegen in einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die große Mehrheit tief verinnerlicht hat und von der sie nur ungern lassen will.“

Es liegt nach Miegel an „UNS“ – aber nicht, weil wir nicht politisch wirksam genug den Konsens mit den Herrschenden aufgekündigt haben und den Kampf für eine ökologisch vernünftige Lebensweise in einer Gesellschaft ohne Herrschenden führen, sondern weil – weil „WIR“ uns nicht zu bescheiden wissen. „WIR“ könnten doch vernünftiger sein und alles wäre gut …

Dass Miegel zu kurz greift, sollte ein zusätzliches Argument für uns sein, endlich unsere Alternativen hörbar und erfahrbar machen. [3]

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