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Muskuläre Sanktionen à la Etzioni

[1]Amitai Etzioni, Soziologe, globaler Intellektueller, einer der prominentesten Repräsentanten des Kommunitarismus und vielen erstmals als Gegner des Vietnamkrieges der USA bekannt geworden, hat in der FAZ vom 4.7. 2011 die Seite 7 für 2426 Wörter zur Verfügung gestellt bekommen. Sein Beitrag hat den Titel “Rational, irrational oder nichtrational?”  und empfiehlt mit einem Krieg gegen den Iran “nicht mehr lange zu(zu)warten” bevor eine Bombardierung der Nuklearanlagen recht unkalkulierbare Risiken hervorrufen werde. Seine militärische Option geht so:

Am Anfang steht die Forderung, Iran müsse seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen und seine kerntechnischen Anlagen bis zu einem bestimmten Datum für internationale Kontrollen öffnen, um zu beweisen, daß sie nicht für militärische Zwecke genutzt werden. Falls Iran dieser Forderung nicht nachkommt, werden nichtnukleare militärische Anlagen bombardiert, etwa Hauptquartiere und Kasernen der Revolutionsgarde, Flugabwehrstellungen und Radaranlagen, Raketenabschussbasen und Kriegsschiffe, die gegen Öltanker eingesetzt werden könnten. Falls diese Angriffe nicht zum erwünschten Ergebnis führen, folgt eine Zerstörung ausgewählter Elemente der Infrastruktur wie Brücken und Bahnanlagen, wie die Vereinigten Staaten dies während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und Japan getan haben. Solche militärischen Aktionen ähneln Sanktionen – allerdings mit weitaus mächtigeren Mitteln (…) eine Schwächung des Regimes durch Militärschläge könnte sogar eine Bresche für die Opposition schlagen. (…) Wenn die hegemonialen und militärischen Ambitionen Irans sich auf die eine oder andere Weise eingrenzen lassen, wird der Regimewechsel im Nahen und Mittleren Osten potentiell weniger gefährlich für den Westen sein, als dies zu erwarten ist, wenn man zulässt, dass Iran an seinem gegenwärtigen Kurs festhält.”

Der Text in der FAZ ist übrigens gutteils eine Übersetzung eines Artikels Etzionis (“Can a Nuclear-Armed Iran Be Deterred? [2]”) in der vom U.S. Army’s Combined Arms Center herausgegebenen  Zeitschrift Military Affairs Mai/Juni 2010 S.117-125. Der Beitrag steht in einer Kontinuität zu Etzionis Buch  Security First: For A Muscular, Moral Foreign Policy, Yale 2007.

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2 Kommentare (Öffnen | Schließen)

2 Kommentare Empfänger "Muskuläre Sanktionen à la Etzioni"

#1 Kommentar von Markus Euskirchen am Juli 5, 2011 00000007 1:51 pm 130987386201Di, 05 Jul 2011 13:51:02 +0000

Au ja! Anti-Atomkraft-Angriffskrieg gegen den Iran! Aber vorher in der Koalition der Willigen alle Atomkraftwerke demontieren und den Müll wirklich so endlagern, dass er in den nächsten 100 Millionen Jahren für einen militärischen Gegenschlag nicht erreichbar ist.
Nee, jetzt mal im Ernst: Sollte nicht lieber – ganz im Sinne der Etzioni’schen Eskalationsstrategie – vor dem Militärschlag Etzioni selbst mit dem Fallschirm hinter den feindlichen Linien abgeworfen werden, um erstmal zu versuchen, die waffenfähigen Anlagen mit möglichst wenig Kollateralschäden im Rahmen einer Kommandoaktion zu sabotieren?! Bevor Schreibtischtäter wie Etzioni nicht bereit sind, sich auf diese Weise destruktiv selbst und persönlich ein- und umzubringen, kann ich ihre Kriegstreiberei nicht ernst nehmen und muss weiter nach Bündnispartnern in den Reihen ‘des Feindes’ suchen, um sozialen Wandel (und damit auch den gesellschaftlichen Bann von Atomwaffen) von unten und ohne Kriegseinsatz durchzusetzen. Ich – im Gegenteil zu Herren wie Ätzioni – bin dazu bereit, das damit verbundene persönliche Risiko zu tragen: Dass wir als soziale Bewegungen in allen Ländern denen, die meinen uns beherrschen zu können, ihr Herrschafts-Handwerk nicht gelegt haben, bevor diese uns in die vielleicht finale atomare Kriegsauseinandersetzung geführt haben werden.

#2 Pingback von Mehring1 » Blog Archiv » Bellizistische Meinungsbildung am August 30, 2011 00000008 1:28 pm 131471088001Di, 30 Aug 2011 13:28:00 +0000

[…] des Schrifttums wunderten sich, weshalb der Soziologe und Kommunitarist Amitai Etzioni diesen Artikel geschrieben hat. Aber vielleicht wurde der ja in dem Saban Center verfertigt, und die PR-Abteilung […]