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Die NGO weed lud ein zum internationalen ExpertInnengespräch über die Rolle der EZB in der globalen Finanz- und in der Euro-Krise. Unmittelbar vor Eröffnung des Gesprächs vom Dienstag – wenige Tage vor der Frühjahrestagung von IWF und Weltbank – erklärte Jürgen Stark, Mitglied des EZB-Vorstandes, in Hongkong: die Krise habe einige Mängel des Geldpolitik-Paradigmas aufgezeigt. Es hemme mittelfristige Strategien und unterschätze die Rolle „monetärer Variablen“. Dennoch müssten die Preisstabilität-Orientierung und die Unabhängigkeit der EZB bzw. der Zentralbanken beibehalten werden. Allerdings müsste der Kreis der politischen EZB-Stakeholder ausgeweitet werden.

Peter Wahl hatte also Recht, als er auf eine gewisse Lernbereitschaft in den internationalen Bank- und Finanzinstitutions-Kreisen verwies und auf die Aussage des geschäftsführenden IWF-Direktors Dominique Strauss-Kahn, wonach der Washington Consensus „jetzt hinter uns liegt“. „Washington Consensus“ meint jenes primitive Mantra, das Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung und Inflationsbekämpfung zu Bedingungen dafür erklärt, dass Globalisierung und allgemeines Wohlergehen zusammengehen. Strauss-Kahn forderte eine neue Globalisierung mit sozialer Inklusion und Kohäsion und eine neue Global Governance, die die wichtigste Lehre aus der Finanzkrise und der Großen Rezession ziehe: Wir brauchen die globale Kooperation der wichtigsten Akteure in der Wirtschaftspolitik, im Bank- und Finanzsystem.

Da Peter Wahl „globale Kooperation“ von links aus diskutiert, fokussierte er darauf, „die Unabhängigkeit der EZB umzudefinieren“, die Erweiterung der Wirtschaftsdemokratie und die Bekämpfung sozialer Ungleichheit bei der eigenen wissenschaftlichen Arbeit in den Blick zu nehmen.

Eine Bemerkung dazu: Beim Ausbruch der Finanzkrise hatte u. a. die AG Wirtschaftspolitik der Partei DIE LINKE. dargelegt, warum die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union Finanzkrisen befördern: Die Europäischen Verträge erteilen der Europäischen Zentralbank EZB kein Mandat, auf Finanzstabilität hinzuwirken. Selbst ihre kritikwürdige vorrangige Aufgabe, Preisstabilität zu sichern, kann nicht erfüllt werden, ohne dass die Stabilität des Zahlungssystems gesichert wird. Dafür braucht die EZB das Recht und die Pflicht, Kommerzbanken und andere Finanzunternehmen zu beaufsichtigen und mit den nationalstaatlichen Regulationsinstitutionen zu kooperieren.

Will die EZB heute EU-Wirtschaftspolitik unterstützen, ist sie – gemäß geltendem Recht – “offener Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb” – verpflichtet. So behindert bzw. verhindert sie aktive Beschäftigungspolitik und sozialökologisch nachhaltige Entwicklung, denn diese setzen gezielte Förderung und die Stabilisierung von Finanzmärkten und daher Kapitalverkehrskontrollen voraus, intelligente Zinspolitik, öffentliche Aufsicht über die Finanzinstitute und das Engagement für entsprechende internationale Verhandlungen. Die EZB muss also neben dem Rat und dem Europäischen Parlament verbindlich in den Dialog zur europäischen Wirtschaftsstrategie einbezogen sein (Beiträge zur Wirtschaftspolitik, 2008)

Das Expertengespräch vom Dienstag fand nicht nur zufällig im Hause des DGB-Bundesvorstandes statt. Seine Vertreter/innen hatten vor und während der Diskussion immer wieder erklärt: Das EZB-Inflationsziel wird als Durchschnitt der nationalen Inflationsraten berechnet und ist somit eine fiktive Größe.

“Der größte monetäre Konstruktionsfehler der Eurozone ist die einseitige Privilegierung des Bankensektors als alleiniger Geschäftspartner der EZB und die gleichzeitige Diskriminierung der öffentlichen Hand. Die Satzung der EZB untersagt strikt jede Form der direkten Finanzierung der öffentlichen Hand.”

Bis zur unbegrenzten gegenseitigen Haftung der EU-Mitgliedsländer für ihre Staatsanleihen sollte die Europäische Zentralbank über ein Ankaufsprogramm den Marktwert der Staatsanleihen und damit deren Nachfrage stabilisieren. Die EZB sollte eine „Europäische Bank für öffentliche Anleihen“ als Geschäftspartnerin erhalten, die am Anleihemarkt agieren, bei Marktturbulenzen Staatsanleihen der Euroländer aufkaufen und als Sicherheiten bei der EZB hinterlegen soll (www.dgb.de).

Die griechische Ökonomin Marica Frangakis unterstrich, dass “Haushaltskonsolidierung” and “langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen” zwei Schlüsselworte gegenwärtiger EU-Wirtschafts- und Sozialpolitik – unter den Bedingungen hoher Verschuldung der öffentlichen Haushalte – seien. Sie sollen bei Verweis auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt Sozialabbau und soziale Repressionen legitimieren.

Die Wirtschafts- und Währungsunion wurde – so Frangakis weiter – ohne jede ernsthafte Krisenkalkulation konstruiert. Das habe die Finanzkrise zusätzlich verstärkt und zwang die Regierenden, neue Regulierungsinstrumente und Regulierungsmöglichkeiten zu schaffen. Dafür wäre die Arbeit der De-Larosière-Gruppe relevant. Der Euro-Rettungsschirm und der europäische Finanzmarkt-Stabilisierungsmechanismus seien sehr wichtige Veränderungen im Leben der WWU bzw. EU, ebenso die Aufsicht über große Vermögensanlagen auf der Makro- und Mikroebene, über Hedgefonds, Versicherungsinstitutionen, Unternehmenstransaktionen.

Die Basel-III-Bankenanforderungen seien laut Frangakis zu schwach und würden die systemischen Schwächen jener Basel-II-Bestimmungen nicht überwinden, die zu den Ursachen der Finanzkrise gehören, weil sie die Banken zu Spekulation motivierten.

Die EU und die WWU würden ihre tiefste Krise erleben und einander bestärken, mit nachhaltigen und schwerwiegenden Konsequenzen für den wirtschaftlichen, demokratischen und sozialen Zusammenhalt in der EU. Der sei in der Lissabon-Nachfolgstrategie “EU2020” marginalisiert. Die öffentliche Schuld sei eine große Herausforderung für die EU-Mitgliedsländer, die aber nicht als gemeinsame Herausforderung solidarisch bearbeitet würde. Schon gar nicht würden die gemeinsame Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung interessieren, die im Zuge der “Verschuldungsbearbeitung” wachsen.

Das alles spreche laut Marica Frangakis für demokratischen sozialen Druck von unten, der europäisch vernetzt und auch auf der EU-Ebene organisiert werden müsse.

Die einseitige Ausrichtung der Europäischen Zentralbank (und davor der Deutschen Bundesbank) auf die Bekämpfung der Inflation sei nach Lucas Zeise in Wirklichkeit ein Mittel, um die ungleiche Einkommensverteilung zu fördern. Immer wenn der Wirtschaftsaufschwung auch die Löhne erreiche, die Nachfrage belebt würde und die Preise leicht anziehen, würde die Notenbank mit höheren Zinsen die Konjunktur bremsen. Wenn die Spekulation die Preise für Aktien, Immobilien, Anleihen und Unternehmen vervielfacht, sehe die Notenbank nur zu. Mit ihrer asymmetrischen Geldpolitik habe die EZB zu jenen volkswirtschaftlichen Ungleichgewichten beigetragen, die die Reichen begünstigen, den Finanzsektor aufblähen und so Finanzkrisen hervorrufen.

Da nun die Finanzblase geplatzt sei, scheine vielen alles anders: Banken und sonstigen Finanzakteure geben nur wenig Kredit und nehmen noch weniger Kredite auf. So sinke zwar das Kreditvolumen, aber die öffentlichen Schulden würden wachsen.

Das aktuelle „Gelddrucken“ federe die Kreditschrumpfung ab, die dadurch zustande käme, dass schlechte Schuldner pleite gehen und gute ihre Schulden abbauen. Als massive Kreditgeber und Kreditnehmer würden nicht nur die Notenbanken sondern auch die Staatshaushalte fungieren. Die Staatsschuld scheine in vielen Ländern geradezu zu explodieren, was zur Geldvermehrung beitrage. Der gute Schuldner Staat verdränge die schlechten Schuldner Banken und Privatunternehmen. Banken würden vielfach dank umfangreicher Staatsgarantien überleben. Dadurch weiter erhöhte Staatsschulden würden hohe öffentliche Zinszahlungen und damit – unter den aktuellen politischen Kräfteverhältnissen – weniger öffentliche Leistungen und Investitionen bedeuten. Die Politik der Einkommensumverteilung von unten nach oben gehe also weiter.

Zeise resümierte: 1. Regierungen müssen die Verantwortung/Kontrolle für den Finanzsektor übernehmen; 2. die Zentralbank verfügt über notwendige Mittel, um den Finanzsektor kontrollieren zu können; 3. Basel I – III haben sich als uneffektiv erwiesen; 4. die Zentralbank sollte den Finanzsektor kontrollieren, ihn mit Geld und Kredit versorgen, die Stabilität der Währung sichern, den Finanzsektor stabil halten, 5. die Zentralbank soll also das Kredit- und Geldwachstum kontrollieren und regulieren, Instrument der Regierungen sein. Die EZB/die Zentralbank soll keine Staatsschulden kaufen (können).

Dieses Resümee hat mit der Einsicht zu tun, dass die “Unabhängigkeit” der EZB eine vorgebliche, monetaristisch und neoliberal begründete institutionelle ist. Die EZB ist de facto vom Finanzsektor abhängig.  Trevor Evans brachte es auf den berühmten Punkt, als er sagte: “Die EZB ist unabhängig von der Demokratie”.

Ergo: Die Materialien des Gespräches dürfen wir mit großem Interesse erwarten und sollten sie dann gut nutzen, um Schlussfolgerungen für die Arbeit an linken Reformalternativen und erlebbare linke europäische Politik zu erstreiten. Dabei müsste es um konkrete Demokratisierung im Ringen um die strukturelle Bekämpfung sozialer und ökologischer Zerstörung, um Schritte sozialökologischen Umbaus gehen.

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