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Am Freitag und Samstag fand in Paris eine Diskussion zu Veränderungen der Kapitalismus-Modelle in Europa statt. Die Debatte stützte sich auf die Ergebnisse des „Dynamo- Projekts“ zum gleichen Thema, das bereits 2007, also vor dem Einsetzen der Krise, abgeschlossen wurde. Veranstalter war das Netzwerk transform! in Kooperation mit Steffen Lehndorf, der dieses Projekt geleitet hatte. WissenschaftlerInnen aus Frankreich, Großbritannien, Schweden, Ungarn Spanien, Italien, Österreich, Irland und Deutschland, die am Dynamo-Projekt beteiligt waren, prüften aus der Sicht des Jahres 2011, inwieweit die damaligen Ergebnisse und Wertungen heute noch tragfähig sind. Es sollte auch ergründet werden, welche neuen Aspekte mit der Krise zu verzeichnen wären. Entsprechend dem Gegenstand der damaligen Studie war der Schwerpunkt auf die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen gesetzt. Natürlich spielten unter diesem Fokus makroökonomische Fragen, vor allem die nach den Konsequenzen der exorbitanten Staatsverschuldung eine angemessene Rolle. waren die TeilnehmerInnen dieser Veranstaltung. In Länderanalysen wurden wichtige Tendenzen der letzten Jahre dargelegt. Damit schließt diese Veranstaltung an eine Reihe von Veranstaltungen an, die seit mehreren Jahren schon von transform! durchgeführt wurden. Letztlich geht es um die Frage, wo Grundlagen für gemeinsame Aktionen liegen könnten.
Die generelle Einschätzung war, dass in der Krise kein grundsätzlicher Modellwechsel erfolgte. Es wurden Wege fortgesetzt, die bereits vor der Krise sichtbar waren. Darüber wird sicher weiter zu diskutieren sein. Die Länderberichte zeigten eine Reihe grundsätzlicher Gemeinsamkeiten, die für das politische Handeln linker Bewegung wichtig sein könnten. Ohne einer ausstehenden fundierten Synthese dieser Berichte vorgreifen zu wollen, seien folgende Sichtworte genannt.
1. Bezüglich des Beschäftigungsregimes wurde deutlich, dass die Krise den Trend zu unsicheren Arbeitsverhältnissen verstärkt hat. Das betrifft Leiharbeit und befristete Arbeitsverhältnisse sowie die Jugendarbeitslosigkeit bzw. der Einstieg von Jugendlichen in das Erwerbsarbeitsleben über grundsätzlich prekäre Arbeit. Zu den hier anzumerkenden Faktoren gehört auch die Verschärfung der Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen, sowohl innerhalb der Unternehmen als auch durch die äußere Flexibilisierung über Leiharbeitsfirmen. Gemeinsam ist auch ein wachsender Druck auf Finanzierung und Beschäftigung des Öffentlichen Dienstes.
2. Im Bereich der sozialen Sicherungssysteme sind es vor allem die Alterssicherung und der Rückfall sozialer Absicherung in die Familien hervorgehoben worden. Zu diskutieren wäre, inwieweit das auch als eine Repaternalisierung der sozialen Sicherung betrachtet werden muss.
3. Nicht überraschend wurde die Privatisierung der sozialen Sicherung und öffentlichen Eigentums als prägende Faktoren benannt.
4. Schließlich wurde der Umgang mit der Staatsverschuldung diskutiert. Egal, worin im Detail ihre auch unterschiedlichen Ursachen liegen – der Abbau der Verschuldung ist in keinem der Länder durch eine Strategie gedeckt. Offen ist, welche Wege bzw. welche linken Ansätze derzeit überhaupt mehrheitsfähig sein könnten. Für Italien etwa wurde festgehalten, dass die Forderung nach Steuererhöhungen keine Basis finden würde. Eng damit verbunden prägt die anhaltende Finanzialisierung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Beziehungen die Situation.
5. Ein weiterer Punkt war die Frage, wie eine Verbindung von Krisenüberwindung und Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft erreicht werden könnte. Es wurde die Frage gestellt, wie Industrie- bzw. aktive Wirtschaftspolitik wieder möglich gemacht werden können.
6. In vielen der analysierten Länder spielt Fremdenfeindlichkeit eine wachsende Rolle.
7. Schließlich zeigte sich, dass die sozialen Probleme in praktisch allen Ländern auf die kommunale Ebene abgeschoben werden. Vorhandene regionale Ungleichheiten verstärken sich in diesem Zusammenhang wieder.

Diese Stichpunkte, die die Breite der Diskussion nur unvollständig widerspiegeln, deutet schon das Problem für die Entwicklung einer konsistenten Gegenstrategie an. In der abschließenden Debatte wurde die Frage gestellt, inwieweit Gewerkschaften in den neu geschaffenen Realitäten mit den traditionellen Politikansätzen weiter kommen. Dies wurde von den TeilnehmerInnen verneint – aber was ist der neue Ansatz? Diese Frage müssen sich auch Bewegungen und Parteien stellen. So erhalten etwa zwei Felder, die von linken Organisationen oft vernachlässigt werden – Regionalpolitik und Kommunalpolitik – vor dem Hintergrund der benannten Tendenzen einen neuen Stellenwert. Wenn die Prekarität für die meisten jungen Menschen der Einstieg ins Erwerbsarbeitsleben ist – was heißt das für die Organisationsweise von Gewerkschaften, Bewegungen und Parteien?

All diese Fragen und Befunde sind nicht neu. Der Wert der Veranstaltung bestand vor allem darin, dass die Parallelität als Herausforderung deutlich wurde. Die Präsentationen sollen zeitnah im Internet dokumentiert werden, so dass die Fakten und Wertungen zur weiteren Diskussion zur Verfügung stehen.

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