Feed on
Posts
Comments

Das Bundesfinanzministerium hat eine neue Gesprächsreihe organisiert, um mit „der interessierten Öffentlichkeit“ zu kommunizieren. Zum großen Auftakt war der ehemalige IWF-Chefökonomen und jetzige Professor an der Harvard-Universität Kenneth Rogoff geladen. Der parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter, der Rogoff zur Seite saß, verkündete: „Wir wollen noch mehr als bisher die Themen und Konzepte der internationalen finanzpolitischen Agenda mitprägen.“ Es gelte, Themen und Probleme frühzeitig zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln. Dabei gebe man sich jedoch nicht der Illusion hin, dass „Krisen in der Zukunft vollständig vermieden werden könnten“.

Interessant waren die Fragen aus BMF- und Journalistenkreisen und erst recht die Antworten des US-amerikanischen Wissenschaftlers, der zu „Lehren aus der Finanzkrise“ referierte. Seiner Meinung nach sei es „unvermeidbar, die Schulden in zwei bis drei Ländern –  in Portugal, Irland und Griechenland – umzuschulden“.

Sicher war Rogoffs Auftritt vor dem informellen Eurozone-Gipfel kein Zufall, denn der Vortrag stellte klar: Übermäßige Schulden drücken auf „das Wachstum“. Solidarität in der Eurozone würde Schulden mehren, was wachstumsfeindlich sei. Ergo: Solidarität contra Wachstum.

Der Vortrag selbst raste durch acht Jahrhunderte Finanz- und Schuldenkrisen und mündete in die optimistische Aussage, dass die Finanz- und Bankenkrise der EU nichts Außergewöhnliches sei. Es gebe Schlimmeres …

Aber es sei unvernünftig, auf Umschuldungen von privater und öffentlicher Schuld in den „Peripheriestaaten“ Griechenland, Irland und Portugal verzichten zu wollen. Es sei ein Trugschluss, dass Blankogarantien für Schulden sinnvoll seien. Einige Schulden würden nie zurückgezahlt. Wer Griechenland Geld geliehen habe, hätte für die Übernahme dieses Risikos eine Zinsprämie erhalten. Blankogarantien, noch dazu längerfristige, würden nur zu neuen Schulden ermutigen. Außerdem hätten Deutschland, Frankreich und Italien selbst ausreichend hohe Schulden. Übernähme Deutschland die Schulden von Griechenland, würde seine Schuld um 10% des BIP wachsen. Deutschland habe aber schon mehr als 70% Schulden und Rogoffs eigene Forschung habe gezeigt: hohe Schulden gehen mit niedrigeren Wachstumsraten einher. Das läge vermutlich daran, dass mit wachsenden Schulden ab einem bestimmten Punkt das Risiko zunimmt, dass die Märkte höhere Zinssätze verlangen. Es würde der Tag kommen, da ein Land mit höheren Zinsen konfrontiert sei, die Steuern erhöhen und die Ausgaben senken müsse. Diese fiskalische Anpassung würde auf das Wachstum drücken.

Die EU brauche einen umfassenden Plan für selektive Umschuldung und die Klärung des Verfahrens. Sie würde eine Einheitslösung vollziehen müssen. Dafür gebe es historische Vorbilder: der Brady-Plan für Lateinamerika in den achtziger Jahren. Für die EU sei ein Schuldenschnitt von 30-40% denkbar. Das sei allerdings für Griechenland nicht ausreichend und so müssten deutsche und französische Steuerzahler/innen für weitere Schulden aufkommen. Würde die Staatsschuld umstrukturiert, träfe dies einige Banken. Wie viele es wären, wisse man nicht, denn der Stresstest habe nicht allzu viel ausgesagt. Der Staat würde bis zu 100% Bankenanteile übernehmen müssen und diese dann wieder verkaufen.

Eine linke Alternative und damit eine Argumentation wider Rogoff wäre, Entscheidungen über den Einsatz öffentlicher Mittel – auch und insbesondere in der Auseinandersetzung mit Finanzkrisen – zu demokratisieren. Statt Wachstum soll es um auf die gerechte und solidarische Lösung sozialer, ökologischer und globaler Probleme gerichtete Entwicklung gehen. Das beginnt insbesondere mit mehr Solidarität beim Umgang mit der Finanzkrise.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Facebook IconTwitter IconView Our Identi.ca Timeline