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Unter diesem Titel hat Friederike Habermann eine Untersuchung zu Bedeutungen, Bedeutung und Dimensionen von Solidarität in Geschichte und Gegenwart vorgelegt. Mit leichter Feder führt uns die Autorin durch Zeit und Themen und verweist uns auf eigene Erfahrungen, Widersprüche und offene Fragen, die die Verwendung des Begriffes in sich trägt.
Sie schließt den Aufsatz mit folgender Passage:
„Wie immer erleichtert der Blick in die Geschichte, ermöglicht die historische Distanz Sichtweisen, die im Hier und Jetzt uns versperrt sind: Es mag uns einleuchtend erscheinen zu sagen, wir würden auf das Privileg verzichten wollen, als Burgfräulein privilegiert und befreit von allen Arbeiten zu sein, während wir doch das Elend der um uns herum schuftenden Fronbauern und –bäuerinnen, Dienstmägde und –knechte ansehen müssten. Genauso wird es den meisten heute einleuchten, auf das Privileg verzichten zu wollen, als Sklavenhalter alle Arbeiten verrichtet zu bekommen. Und doch galt dies einmal als völlig normal für weiße Menschen (wobei ´weiß´ ja erst als Begründung für diese Einteilung in Freie und Sklav_innen eine Kategorie wurde und damit Wirklichkeit bekam).
Auch muss mann kein Softi sein, um heutzutage erkennen zu können, dass die Frauen¬bewegung auch für Männer Vorteile gebracht hat: Männer dürfen heute weinen und auch mal schwach sein, sie können sich mit gebildeten Frauen umgeben, und manchmal, ja manchmal wird ihnen sogar etwas Erziehungszeit vom Arbeitgeber zugebilligt, womit sie dem Schicksal ihrer Väter entgehen, welche ihre Kinder oft genug nur beim Abendbrot sahen.
Was sind heutzutage die privilegiertesten Subjektformen? Topmanager eines multi¬nationalen Konzerns? Was aber, wenn ein solcher Topmanager auch nur für einige Tage sich plötzlich nicht mehr entsprechend den Normenvorgaben verhält? Seine Karriere wäre ver¬mutlich beendet, solange sich dies nicht mehr verstecken ließe. Wenn nicht, kann das subjektive Privileg ganz schnell in das Gegenteil umschlagen, wie beispielsweise der britische, 21jährige Banker Anjool Malde mit seinem Sprung von einem Hoteldach zeigte – er hatte sich mit dem Namen einer seiner Bankkunden im Internet einen Scherz erlaubt, was herausgekommen war. Oder Topmodel? Filmstar? So wie Marilyn Monroe gar? Wie sie endete, ist bekannt.
Auch den Normaleren unter uns geht es ja eigentlich gar nicht soooo gut – oder wie war das mit den vier bis acht Millionen Depressiven und den fünf Millionen Esssüchtigen, ganz zu schweigen von den alkohol-, medikamenten- und was-es-sonst-noch-alles-gibt-Abhängigen? Sowie den Kranken aufgrund psychosomatischer Ein¬wirkungen und umweltbedingter und stressbedingter und …?
Nun soll das nicht heißen, dass heutzutage alle unglücklich sind – das wäre verdammt schade, auch angesichts all der Kämpfe von Menschen aus der Vergangenheit, die uns bereits von so manchem befreit haben. Und sich, manchmal bis zur Selbstaufgabe, damit nicht zuletzt mit uns solidarisch gezeigt haben. Aber dennoch:
Vielleicht macht es ja etwas mit uns, vielleicht wäre es ja ganz schön – das Privileg, nicht damit leben zu müssen, dass Hundertausend am heutigen Tag verhungern?“

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