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Die Erfolgsstory des Weltwirtschaftsforums begann 1971 und erreichte mit dem Abschluss des kalten Krieges einen besonderen Höhepunkt. Bis Ende der 90iger wurde es dann als “Festival des Globalisierungskonsens“ gefeiert, aber verlor mit wachsender globalisierungskritischer Bewegung an Glanz. Noch vor Seattle 1999 und dem ersten Weltsozialforum 2001 wurde „WEF Davos“ zum Adressaten von demokratischem Protest gegen neoliberale Wirtschaftspolitik.

Samuel Huntington schrieb 1997 dazu einen provokanten Artikel und schuf die Figur des elitären „Davos man“, der beim  „Festival der Globalisierung“ sich selbst genießt.

Der „Davos man“ lernte dennoch, zivilisierter mit den Globalisierungskritiker/innen umzugehen und lud zum Gespräch. Allerdings verlor er selber Interesse an seiner Party. Obwohl neue Partner hinzukamen, blieben die Spitzen der Finanzwelt und der USA zunehmend lieber zu Hause. Das gilt erst recht, seit Gordon Brown die „erste Krise der Globalisierung“ ausmachte. Aber andererseits treffen sich in Davos immer noch und immer mehr „Geschäftsleute“ aus der „größer werdenden“ Welt, denn sie reisen in wachsenden Gruppen aus Asien und Lateinamerika an.

Beim WEF kann man nun auch WTO-Runden und EU-Gipfel vorbereiten, über Krisen und Krisenbewältigung philosophieren, hochwichtiges Networking betreiben … Sein Erfinder Klaus Schwab entwickelt daher eine optimistische „Vision 2020“ von einem WEF, das sich auf „intellektuelle und moralische Integrität, Unabhängigkeit und Objektivität, positiven Einfluss und Transparenz“ stützt. Schwabs Losung heißt “Ein Forum, eine Kultur, eine Mission”. Es gehe um „Unternehmertum im globalen öffentlichen Interesse“ und zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere darum, „unsere Fähigkeit, Risiken vorauszusehen, sie zu managen und zu mildern“ unter Beweis zu stellen. Dafür müsse ein „globales System zur Risikobewältigung“ errichtet werden.

Von diesem System war schon in Dubai die Rede, als vom 29.11.-1.12. der dritte WEF-Gipfel tagte und das Treffen in Davos inhaltlich vorbereitete. Damals sprach der WEF-Gründer über „schleichende Risiken“ und forderte ein globales „Risk-Response-Network“, um künftig die Welt vor Schocks wie die globale Finanzkrise zu bewahren. „Nicht einzelne Schocks wie Terroranschläge oder Vulkanausbrüche bringen die Welt ins Wanken, sondern schleichende Krisen, die zuerst unsichtbar sind, dann aber mit um so mehr Wucht das globale, Staatengefüge treffen.“

Am 12. Januar wurde dann in London der sechste WEF-Bericht zu „Globalen Risiken 2011“ (riskreport.weforum.org/#) vorgestellt, der sich auf eine Befragung von ca. 580 Fachleute stützt und auf drei Probleme fokussiert: Die wirtschaftliche Widerstandskraft gegenüber Erschütterungen sei geschwunden; die geopolitischen Spannungen und sozialen Konflikte seien gewachsen; es fehle an gemeinsamen und koordinierten Schritten, um den zunehmenden globalen Risiken begegnen zu können. Diese resultieren insbesondere aus den wachsenden wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Welt, aus der Schattenwirtschaft und der Verknappung lebenswichtiger Ressourcen wie Wasser, Nahrungsmittel und Energie.

Laut Bericht waren für die Herausbildung der globalen Finanzkrise langfristige strukturelle Schwächen der Weltwirtschaft wesentlich. Die staatlichen Handlungsspielräume hätten sich durch die Krise, die makroökonomischen Ungleichgewichte, die enorme Staatsverschuldung in den globalen Industrieregionen, die Labilität der Finanzmärkte und die Alterung der Bevölkerung “in der ersten Welt” gravierend verringert .

Gescheiterte und fragile Staaten, illegaler Handel, organisierte Verbrechen und Korruption würden Gefahren in einer sich immer mehr vernetzenden Welt mehren. Regierungsversagen und wirtschaftliche Disparitäten würden illegale Handlungen befördern. Diese würden alle Widersprüche und Instabilitäten forcieren, staatliche Handlungsfähigkeit noch weiter verengen.

Die Welt stoße an die absoluten Grundbedürfnisse bei Wasser, Nahrungsmitteln und Energie. Bei schnell wachsender Weltbevölkerung und voranschreitender globaler Erwärmung würden lebenswichtige Ressourcen erschöpft und Konfliktpotenzial wachsen.

Darüber hinaus machen die Verfasser/innen des Berichts fünf weitere Risiken aus: Cyber-Sicherheit, demographischer Wandel, Ressourcensicherheit, Rückzug aus der Globalisierung, Produktion und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Man kann es auch anders sagen: Es gibt einen riesigen Investitionsbedarf, aber riesige Schulden. Die Weltbevölkerung wächst und die natürlichen Lebensbedingungen werden schlechter und knapper. Es gibt wachsende Nachfrage nach geringer werdenden Ressourcen und an Aggressivität zunehmende Kämpfe um Rohstoffreserven. Die USA stabilisiert die Weltwirtschaft schon lange nicht mehr, aber keine Macht ist an ihre Stelle getreten. Das internationale Währungssystem funktioniert nicht mehr, aber es gibt keinen geordneten Übergang zu einem neuen. Konzerne haben große Cash-Reserven aufgebaut und spielen die Rolle von Staaten, aber Staaten erklären Handlungsunfähigkeit.

Davos men haben mit ihrer Verständigung zum Risk Response Network dem WEF eine neue Rolle verliehen: Es sei nach Schwab nunmehr der „einzige Weltgipfel, der all die Herausforderungen der globalen Agenda in ihrer Gesamtheit behandelt.“  Es soll dafür sorgen, dass WTO und G20 dann vereinbaren, was vereinbart werden müsse, um Probleme zu mildern.

Also nicht die UN sollen gestärkt werden, sondern das WEF. Der Bericht vom Januar geht in Vielem zusammen mit Einschätzungen im neuen strategischen Konzept der NATO. Das kann nur beunruhigen.

Das WEF 2011 beriet unter dem Eindruck von Unruhen in arabischen und islamischen Ländern: Millionen Menschen wollen Lebensmittel und Freiheit, können die Nahrungsmittel nicht kaufen und ihre Unterdrückung nicht ertragen.

Die sich in Kürze beim WSF in Dakar Versammelnden sollten den Menschen in Tunesien, Ägypten, in der arabischen und islamischen Welt, in Afrika und in den globalen Armutsregionen sagen, was „mit ihnen solidarisch sein“ bedeutet und was „wir“ in Solidarität mit ihnen tun bzw. tun werden. Wie treten wir zunehmend wirksam für alle Menschenrechte für jede und jeden ein?

One Response to “Davos man schafft global risk response system

  1. […] Samuel Huntington schrieb 1997 dazu einen provokanten Artikel und schuf die Figur des elitären „Davos man“, der beim  „Festival der Globalisierung“ sich selbst genießt. Weiterlesen… […]

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