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Left Forum 2009

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Seit 2001 habe ich das Vergnügen, im Rahmen der internationalen Kooperation der RLS an dem Left Forum in New York teilnehmen zu können. Seit damals hat sich nicht nur der Name (einstmals Socialist Scholars Conference) verändert. Das schon 2001 (und in den Jahren zuvor) größte Treffen von “socialists and activists” in den USA hat kontinuierlich an Resonanz gewonnen und lockte am vergangenen Wochenende zwischen 2500 und 3000 TeilnehmerInnen an. In über 200 Panels sprachen bis zu 1000 RednerInnen. Zum Thema Veränderung gehört: übergangsweise, aber vielleicht auch zukünftig fand der linke Kongress in der Pace-University statt, die eher für die Business-Seite des US-Hochschulwesens steht. Geografisch freilich ist man New Yorker Gegenden näher gerückt, die noch nicht völlig gentrifiziert und arbeiterklassengesäubert sind.  Der Altersdurchschnitt des Forum sinkt und in Sachen Gender könnte sich manche RLS-Veranstaltung hier eine Scheibe abschneiden: die Abschlussveranstaltung etwa versammelte nur weibliche Sprecherinnen. Auch wenn zu Recht die weiterhin relativ schwache Präsenz der activists, also der sozialen Bewegungen kritisiert wird: die academics, die sich im Left Forum konzentrieren, gehören zu den interessantesten Universitäts- und Bewegungsintellektuellen der USA, ein Aspekt, der in der üblichen Kritik am Left Forum ignoriert wird. Latinos, Hispanics oder Afroamerikaner waren (in New York!) auf dem Forum weniger präsent – doch die offenbar sehr aufwendige political correctness bei der Besetzung der Podien (nicht aber der Schwerpunktsetzung der Themen, die – vom Thema Krise abgesehen – leider kaum stattfand) war offensichtlich. Eine Blogstimme:

It’s absolutely massive, with the leading lights from the national and international left presenting. While I’ve heard that it’s been different in previous years, this year there was a strong youth activist presence that balanced out the old balding white guys nicely.

Zur Veränderung gehört auch, dass sich das Forum immer intensiver mit der Frage befasst, wie eine neue linke left-forum-2009-1politische Formation in den USA geschaffen werden kann. Auch dieses Mal trug Aronowitz vehement dieses Votum vor: “There is a real danger that the weakened left will disappear…we desperately need that kind of organisation”.  Praktisch freilich gab es keine konkreten Schritte und wenig praktische Phantasie der academics in diese Richtung. In den andauernden Zeiten der nachvollziehbaren Obamania ist das sicherlich wenig verwunderlich und es bleibt bei dem Zustand, den Richard Seymour (aka Schreiber des bemerkenswerten Blogs Lenins Tomb) in seinem Bericht zum Forum vermerkte:

“This perhaps speaks to a particular dilemma of the US left: huge numbers of knowledgeable, talented, committed people, but hardly any organisational presence”

und Norman Birnbaum schrieb in der Nation:

“Perhaps the forum’s people should consider new historical possibilities. Nearly 20 percent of the House of Representatives belongs to the Congressional Progressive Caucus–which needs energies and ideas from well beyond the members’ districts. Yet I could find no trace of any contact to the caucus, or any other part of national government.”

Freilich ist eine Überbrückung des alten Abgrunds zu einer verfolgten, diskriminierten und verhöhnten Linken auch eine Sache einer demokratischen Partei, deren Selbstveränderung aussteht. Sonst geht es – und die “Nation” steht oft dafür – nur darum, die Stärkung einer Linken jenseits der weiterhin vom Center des alten US-Liberalismus kontrollierten Demokratischen Partei zu verhindern. Die Grundstimmung des Forums war daher: “The time to support Obama is over, its time to push him.” (Frances Fox Piven). Da das einstige Versprechen eine Obama-Bewegung zu schaffen nicht verwirklicht wurde (oder werden konnte), sind Angriffspunkte für eine solche linke Einflußpolitik rar. Fraglich ist auch, wie und wozu eine Bewegung für eine zentristische Politik zu schaffen wäre, die gerade in der Aussenpolitik  an imperialen  Führungsansprüchen konstant festhalte.  Doch wie die Linke aus dem Looser-Stigma herauskommen kann (“we can win”), das Michael Albert als hartnäckiges Hauptproblem der Linken diagnostizierte, blieb offen. Eine Vision, die ohne instituionellen Hintergrund bliebe, könne keine nachhaltige Kraft entwickeln.

Im Mittelpunkt aber stand das Thema Krise. Es wurde in einem Dutzend Panels detailliert img_04761bearbeitet, von Panitch, Henwood, Harvey, Kotz, Bello, Wolff oder Mosley. Alle Autoren differierten in Einschätzungen (nicht nur im Detail), waren sich aber einig, dass die gegenwärtige Krise ihren Tiefpunkt noch lange nicht erreicht hat, noch Jahre dauern und Struktureffekte haben wird, die den Neoliberalismus, wie wir in kennen, tiefgreifend verändern – oder hinter sich lassen werden. Eine neue Politik der Nationalisierung die auf die Entwicklung eines alternativen öffentlichen Sektors ziele, müsse entwickelt werden, die Konkunkturprogramme seien unzureichend (4 Millionen Jobs gingen verloren, nur gut 2 Millionen sollten durch sie geschaffen werden). Und: die Schuldenpolitik der USA sei als Modell erledigt.

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