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Der Begriff wird in der aktuellen multiplen Krise vorgeschlagen, um emanzipatorische Perspektiven zu bündeln, ohne sie zu vereinheitlichen. Der Begriff hat eine analytische, eine politisch-strategische und eine normative Komponente.

Analytisch wird erstens davon ausgegangen, dass die »ökologische Frage« eine wichtige Rolle in aktuellen Krisenpolitiken spielt. Es handelt sich nicht um Varianten von Umweltpolitik, sondern um mehr oder weniger weitreichende Veränderungen der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Sei es als weitere Inwertsetzung der Natur, wie im prominenten Fall des Emissionshandels in der Klimapolitik. Sei es als öko-autoritäre Varianten, bei denen innergesellschaftlich politische Entscheidungen im Sinne einer Minderheit getroffen werden, international das westliche Wohlstandsmodell notfalls mit Waffen verteidigt und Milliarden Menschen autoritär in Armut gehalten werden. Sei es im Kontext der Vorschläge für eine Grüne Ökonomie, etwa in Form des Grünen New Deal, bei denen eine Kombination von Markt, staatlicher Steuerung und sozialem Ausgleich betont wird. Alle Varianten setzen einige Hoffnungen in den kapitalistischen (Welt-)Markt, die bestehenden politischen Institutionen und in kapitalistisch entwickelte Technologien zur Bearbeitung der multiplen Krise. Gegenüber diesen Entwicklungsmöglichkeiten können unter dem Begriff der sozial-ökologischen Transformation jene Ansätze gebündelt werden, die in der kapitalistischen und imperialen Dynamik – die neben der Produktionsweise auch die Lebensverhältnisse der Menschen umfasst – die Ursachen der gegenwärtigen Probleme sehen, nicht deren Lösung. Entsprechend werden umfassendere politische Strategien formuliert.

Die zweite, nämlich politisch-strategische Dimension des Begriffs liegt darin, dass selbst auf herrschender Seite Deutungen der multiplen Krise sehr weitgehend sind, die daran anknüpfenden politischen Vorschläge sich jedoch keinen Bruch mit den existierenden kapitalistischen und imperialen Vergesellschaftungsmustern trauen. Ein prominentes Beispiel in der deutschsprachigen Diskussion ist das Gutachten »Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation« des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Einer sehr weitgehenden Problem beschreibung folgen institutionenkonforme und inkrementelle politische Vorschläge. Gesellschaftliche Herrschafts- und Kräfteverhältnisse werden damit als Krisenursachen weitgehend entnannt.

In diesem Kontext steht die dritte, die normative Komponente. Diese soll mit dem Begriff der sozial-ökologischen Transformation explizit gemacht werden, um so weitergehende Perspektiven zu eröffnen. Progressive Ansätze wie die des WBGU werden ernst genommen, denn sie zeigen Brüche im Machtblock und Elitendissense auf. Es geht jedoch nicht nur um dramatische – damit nicht falsche – Problemdeutungen, sondern auch darum, dass und wie die bestehenden herrschaftlichen politischen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse Krisenursache sind. Um diese zu verändern, bedarf es einer Demokratisierung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. So können emanzipatorische Formen der Krisenbearbeitung gefördert werden. Das könnte als transformatorischer Kern des Begriffs bezeichnet werden. Die nachhaltigere Nutzung der Umwelt kann etwa nur in Verbindung mit sozial-ökologischer Gerechtigkeit angegangen werden; zentral ist daher die demokratisch bestimmte Produktion von, der Zugang zu und nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln. Es geht nicht nur um Investitionen in »grüne« Bereiche, sondern um demokratische Entscheidungsmacht über Investitionen und um die grundlegende Frage: Wer bestimmt eigentlich die Entwicklungsrichtung der Gesellschaft?

Sozial-ökologische Transformation ist eine Perspektive, die nicht sozialtechnologisch missverstanden werden sollte. Ob sich daraus ein plurales Projekt entwickeln kann, ist derzeit offen. Dazu muss es inhaltlich bestimmt und von breiten reformorientierten wie radikaleren Kräften getragen werden, die Diskurse deutlich verschieben und institutionelle Praktiken verändern. Es muss offen sein für die Reformulierung von Interessen und Werten, für die Austragung von Konflikten, für die kritische Berücksichtigung von Erfahrungen. Dies ist umso wichtiger angesichts der multiplen Krise, in der sich krisenbedingt mögliche Brüche auftun. Dass diese nicht weiter neoliberal und/oder autoritär bearbeitet werden, ist das Movens von Debatten, Strategien und realen Veränderungen sozial-ökologischer Transformation.

Zum Weiterlesen:

  • Adler, Frank; Schachtschneider, Ulrich (2010): Green New Deal. Suffizienz oder Ökosozialismus? Konzepte für gesellschaftliche Wege aus der Ökokrise, München.
  • Brand, Ulrich (2011): Post-Neoliberalismus? Aktuelle Konflikte und gegen-hegemoniale Strategien, Hamburg.
  • Institut Solidarische Moderne (2011): Umrisse eines sozialökologischen Gesellschaftsumbaus auf dem Weg in eine Solidarische Moderne. Berlin, www.solidarische-moderne.de.
  • WBGU (2011): Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, Berlin, www.wbgu.de/hauptgutachten.

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